1712 - Verflucht bis in den Tod
schnallte mich wieder an.
»Nichts. Die Autos, die vorbeifuhren, waren harmlos.«
»Ja, sie lässt sich Zeit.«
»Hoffentlich spielt Wladimir mit.«
»Wie meinst du das?«
Ich räusperte mich kurz. »Er ist ja auch nur ein Mensch. Ich denke, dass es ihm schwerfällt, die Beherrschung zu bewahren, wenn er der Person gegenübersteht, der er dieses Schicksal zu verdanken hat.«
»Nein, John, so darfst du nicht denken. Es ist in der Zwischenzeit zu viel geschehen. Er ist sich bewusst, wie hilflos er ist. Sein Frust wird gewaltig sein. Er wird ihn innerlich zerfressen, aber er ist nicht lebensmüde.«
»Das hoffe ich.«
»Und wie hättest du an seiner Stelle reagiert?«
»Ähnlich.«
Karina drehte den Kopf, um einen Blick in den hinteren Teil des Wagens zu werfen. Dort hockte unser Gast, der mehr einem Toten glich als einem Lebenden.
Man konnte sich vorstellen, dass er sich bereits auf dem Weg ins Jenseits befand und sich sein Körper dabei verändert hatte. Da war die Haut dünn geworden und sah aus, als könnte sie jeden Augenblick reißen.
»Er sieht aus wie ein Verfluchter, John. Verflucht bis in den Tod. Was hat man mit ihm gemacht?«
»Frag lieber, wer es getan hat.«
»Hast du eine Antwort?«
»Ich denke da an Rasputin. Je länger ich über Sobotin nachdenke, umso mehr komme ich zu der Überzeugung, dass ihn und Rasputin etwas verbindet.«
»Kann sein.«
Ich sprach weiter. »Ich glaube fest daran, dass sie sich kannten oder kennen, falls beide noch leben.«
»Davon bin ich mittlerweile auch überzeugt, John.«
»Dann haben sie ziemlich lange überlebt.«
»Sag jetzt nicht, dass es unmöglich ist.«
»Gott bewahre. Das tue ich nicht.«
»Aber wieso? Wie ist es möglich, dass jemand so lange leben kann? Hast du darauf eine Antwort?«
Ich dachte nach. »Wer war Rasputin denn?« Die Antwort gab ich mir selbst. »Er war ein machthungriger Mensch. Ein Psychopath, einer, der sich in den Klöstern ebenso auskannte wie in der normalen Welt. Jemand, der ein großes Wissen besaß. Ein Zauberer, ein Magier und einer, der mit den finsteren Mächten in Verbindung stand. Mittlerweile glaube ich, dass er, nachdem man ihn in den Fluss geworfen hat, nicht ertrunken ist.«
»Ja, da stimme ich dir zu.«
»Nur liegt sein Schicksal im Dunkeln.«
Sie stieß einen leisen Seufzer aus. »Ich habe nie irgendeinen Gedanken daran verschwendet, dass ich mal mit dieser Legende etwas zu tun bekommen würde. Irren ist eben menschlich und …«
Da meldete sich ihr Smartphone.
Sie brach mitten im Satz ab, verschluckte sich fast und atmete danach tief durch.
Ich konnte nachvollziehen, wie es in ihr aussah, denn oft genug waren auch meine Freunde in die Gewalt unserer Gegner geraten. Vor Kurzem noch Johnny Conolly.
»Da bin ich wieder!«
»Und?«, fragte Karina.
»Es ist alles klar. Du hast ja gut reagiert. Wir konnten deinen Freund aus der Klinik schaffen.«
»Wie geht es ihm?«
»Ach, gut. Ich befinde mich genau neben ihm. Möchtest du ihn sprechen?«
Karina warf mir einen schnellen Blick zu, sie sah mein Nicken und bejahte die Frage.
»Moment.«
Ich sah, dass Karinas Hand leicht zitterte, dann sprach sie Wladimirs Namen flüsternd aus.
»Keine Sorge, ich lebe noch.«
»Man hat dir nichts getan?«
»Nein.«
»Und wo befindest du dich jetzt?«
Chandra ließ es nicht zu, dass Wladimir die Antwort gab. Das übernahm sie selbst.
»Wir sind auf der Fahrt zum Treffpunkt. Dorthin werdet ihr auch kommen müssen.«
»Ich habe verstanden. Und wo ist das?«
Da lachte die Mörderin. »Warte es ab. Ich werde wieder anrufen. Macht es euch gemütlich, und sag diesem Sinclair, dass er auf meiner Liste ganz oben steht.«
Mehr war nicht zu hören. Die Verbindung war unterbrochen.
»Hast du noch mitbekommen, dass du auch auf ihrer Liste stehst?«
»Das war doch klar. Mich würde mehr interessieren, wo sie sich aufhalten. Man kann herausfinden, wo jemand steht und telefoniert. Ein Handy ist zu orten.«
»Ich weiß. Aber ich möchte mich zurückhalten, ich will nichts unternehmen, was Wladi schaden könnte.«
»Okay, du bist der Boss.«
Sie winkte ab und kam auf ein anderes Thema zu sprechen. »Wir müssen davon ausgehen, dass Chandra und Wladi nicht allein unterwegs sind. Sie befinden sich in einem Fahrzeug, das auch gelenkt werden muss, und daran beteiligt sich Chandra bestimmt nicht.«
Ich stimmte ihr zu und sprach davon, was wohl der größte Erfolg für uns werden könnte, abgesehen von Wladis
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