1715 - Gewächs des Grauens
Scheibe, und als ich hinausschaute, da sah ich ein Gesicht vor der Scheibe schweben, das mich nicht eben freundlich anschaute.
Ich ließ die Scheibe etwas nach unten fahren und rief: »Keine Sorge, ich fahre sofort weg.«
»Das wurde auch Zeit.«
Sekunden nach dieser bissigen Antwort war ich unterwegs und war gespannt darauf, was mich wohl bei diesem Bischof Makarew erwartete …
***
Ich musste in die Willesden Lane abbiegen, die zu dem Friedhof führte. Bis dorthin brauchte ich nicht. Kurz vorher bog ich nach rechts ab und entdeckte sofort danach den Turm einer Kirche. Für mich stand fest, dass ich hier richtig war.
Häuser tauchten auf. Es war eine Siedlung mit recht hohen Häusern, die allerdings nicht in Reih und Glied standen, sondern schräg zueinander gebaut worden waren, sodass die Flächen zwischen ihnen breiter und freier waren.
Um die Kirche herum war das Gelände frei. Im Sommer sahen die Grasflächen sicherlich saftig und grün aus. Jetzt schimmerten sie bräunlich. Dazwischen gab es Wege, die zur Kirche führten, und davor einen freien Platz, auf dem ich meinen Rover abstellen konnte.
Man hatte meine Ankunft bereits bemerkt, denn als ich eintraf, lief ein älterer Mann im dunklen Mantel auf mich zu, der mich allerdings noch nicht ansprach, sodass mir Zeit blieb, einen Blick in die Runde zu werfen.
»Was kann ich für Sie tun, Mister?«, fragte er schließlich.
Ich lächelte. »Ja, erst mal einen guten Tag. Ich weiß nicht, ob Sie etwas für mich tun können …«
»Aber Sie suchen jemanden. Oder etwas.«
»Das stimmt. Ich möchte gern mit Bischof Makarew sprechen. Er ist doch hier – oder?«
Der ältere Mann, dessen Gesicht schon sehr blass war, verengte seine Augen. Nach einer Weile sagte er: »Ja, der Bischof ist hier, aber ich weiß nicht, ob er mit Ihnen sprechen will.«
»Was sollte ihn daran hindern?«
»Seine Arbeit.« Der Mann nickte. Das dünne Haar wehte im Wind. »Ja, er hat viel zu tun. Wir sind hier eine Gemeinde, die geführt werden muss, was nicht einfach ist.«
»Aber er wird doch wohl ein paar Minuten für mich erübrigen können, denke ich.«
Der Mann legte den Kopf schief. »Es kommt darauf an, was Sie von Aldo Makarew wollen.«
»Ich bin nicht gekommen, um mit ihm zu plaudern. Es geht um ein Problem.«
»Darf ich es wissen?«
Gern klärte ich ihn nicht auf. Ich überlegte noch und sah, dass uns andere Leute beobachteten. Einige standen vor den Häusern, andere schauten aus den Fenstern.
»Wie gut sind Sie mit dem Bischof bekannt?«
Er hob die Schultern. »Ich bin so etwas wie sein Vertrauter.«
Stimmte es oder stimmte es nicht? In den Augen sah ich ein Funkeln, und dann fragte er: »Kann es sein, dass es um etwas Bestimmtes geht? Vielleicht um eine Ikone?«
Da hatte er mich voll erwischt, denn jetzt konnte ich ihm nicht mehr mit einer Ausrede kommen. »Sie wissen Bescheid?«
»Ja, ich bin informiert. Zwar nicht in allen Einzelheiten, aber im Groben schon. Es geht doch um die Ikone?«
»Richtig, es geht um die Ikone, die am heutigen Morgen ersteigert worden ist.«
»Ach. Von Ihnen?«
»Nein, nicht von mir.«
»Das hätte mich auch gewundert.«
»Ich weiß, dass der Bischof Jane Collins engagiert hat, um das Bild zu ersteigern. Das hat sie auch geschafft, aber sie nahm mich als Beschützer mit, denn es gibt noch eine andere Seite, die hinter diesem Kleinod her ist. Und die kennt kein Pardon. Jane Collins wurde nicht nur telefonisch gewarnt, man hat auch ihr Auto in die Luft gesprengt, um sie von diesem Job abzubringen. Mein Name ist übrigens John Sinclair, und ich arbeite für Scotland Yard.«
Jetzt sagte der Mann nichts mehr. Er musste seine Überraschung erst verdauen. Mit der flachen Hand strich er über sein Haar, das der Wind jedoch immer wieder in die Höhe wirbelte. Eine Antwort erhielt ich noch nicht. Er musste erst nachdenken, dann hatte er sich gefangen und sagte mit leiser Stimme: »Ich denke, ich kann Ihnen vertrauen.«
Ich zeigte ihm meinen Ausweis. »Das können Sie auch.«
»Gut. Der Bischof hat mich eingeweiht. Lassen Sie uns über Jane Collins sprechen. Wo ist sie?«
»Nicht hier, wie Sie ja sehen. Es hat einige Probleme gegeben, da will ich nicht drum herumreden. Ich habe mit ihr telefoniert und denke, dass sie auf dem Weg hierher ist.«
»Sie haben die Ikone nicht – oder?«
»Nein, aber Jane Collins hat sie. Und sie wird das Bild mitbringen.«
»Ja, das ist zu hoffen.«
»Darf ich denn auch Ihren Namen erfahren?«, fragte
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