1717 - Die Fratze der Angst
vier Fremdenzimmer vermietet, die besonders zur Festspielzeit belegt waren.
Georg Prantl lächelte, als er tief durchatmete. Salzburg und seine Umgebung war ohne Regen wunderschön. Dieser späte Morgen war zwar kalt, aber die Wintersonne würde schon dafür sorgen, dass die Temperaturen stiegen.
Es war alles so friedlich, und Prantl vergaß den eigentlichen Grund seines Kommens. Er dachte an seinen Urlaub und nahm sich vor, in die Berge zu fahren, um den einen oder anderen Tag auf den Pisten zu verbringen.
Jemand winkte.
Es war seine Mutter, die auf ihn wartete. Sein alter Herr war nicht mit in die Kirche gekommen. Xaver Prantl hatte sich den rechten Fuß leicht verknackst, als er von einer Leiter gerutscht war. Jetzt humpelte er durch das Haus und war sauer.
Der Oberst winkte zurück und lächelte, als er sich in Bewegung setzte.
Wer ihn so ansah, der hätte ihn niemals für einen Polizisten gehalten. Er war mehr der gemütlich wirkende Typ mit einem leichten Bauchansatz, einem runden Gesicht mit braunen Augen, deren Farbe sich auch in den Haaren wiederholte, die sehr dicht und nach hinten gekämmt waren und auf einen Mittelscheitel verzichten konnten.
Man kannte ihn hier, er war in dem Ort aufgewachsen. Als kleiner Junge hatte er hier gespielt, war später Messdiener gewesen und hatte sich auch nach dieser Zeit wunderbar in die Dorfgemeinschaft eingefügt. So war er zu den Schützen gegangen, doch dann hatte es den Schnitt gegeben, als er bei der Polizei angeheuert und dort Karriere gemacht hatte. So gemütlich Prantl auch aussah, er konnte auch anders. Er war ein knallharter Kriminalist und hatte schon einiges an Erfolgen vorzuweisen.
Seine Mutter stand mit Nachbarn zusammen, die Georg von klein auf kannten. Auch diese Menschen waren älter geworden. Der Oberst wurde herzlich begrüßt, und Helma Prantl sprach sofort davon, dass ihr Sohn etwas länger bleiben würde.
»Er macht nämlich hier Urlaub«, erklärte sie.
»Ach, in der Heimat?«
»Genau.«
Die Nachbarin lächelte. »Das ist aber schön, dass der Sohn mal bei seinen Eltern Urlaub macht. Erlebt man ja nicht so oft, denke ich.«
»Genau.«
Helma Prantl mischte sich wieder ein. »Nun ja«, sagte sie und gab ihrer Stimme einen verschwörerischen Tonfall. »So ein richtiger Urlaub ist es ja nicht. Georg hat mir versprochen, sich um diesen schrecklichen Gestank zu kümmern, von denen ja manche Leute glauben, dass er vom Teufel hinterlassen worden war, weil der sich Urlaub aus der Hölle genommen hatte.«
Prantl winkte ab. »Bitte, Mutter, lass die Kirche im Dorf. Ich sehe mich mehr als Urlauber.«
»Ja, ja, aber du wolltest doch …«
Er unterbrach sie. »Jetzt möchte ich erst mal nebenan ins Hotel und mir ein Bier gönnen.«
»Frühschoppen?«, fragte der Nachbar. »Da bin ich auch dabei.«
»Wie in alten Tagen.«
»Genau.«
Helma Prantl drehte sich auf der Stelle. »Wo steckt eigentlich der Pfarrer?«, fragte sie leicht verwundert. »Der wollte doch mit dir ein Bier trinken.«
»Stimmt.« Prantl hob die Schultern. »Er wird schon gleich kommen. Ich denke, dass er sich mit dem Umziehen noch etwas Zeit lässt.«
Die beiden Nachbarn nickten sich zu. Die Frau, die einen dicken Wintermantel trug und sich einen schwarzen Hut auf den Kopf gesetzt hatte, verabschiedete sich.
Sie war dabei, sich von der kleinen Gruppe wegzudrehen, als es passierte. Ein gellender Schrei durchbrach die relative Stille und ließ die meisten Menschen zusammenzucken.
Jeder hatte gehört, wo der Schrei aufgeklungen war. Und zwar neben der Kirche, wo der Weg zum Friedhof führte …
***
In den folgenden Sekunden glich das Bild einer Inszenierung, die von einem Regisseur angehalten worden war. Es gab wohl kaum jemanden, der sich bewegte. Die Kirchgänger standen vor dem Gotteshaus oder hatten sich auf den beiden Treppen verteilt, wo sie wie Statuen wirkten und keinen Laut hervorbrachten. Nur der Atem dampfte als kleine Wölkchen von den Lippen der Menschen.
Georg Prantl kannte sich aus, was Schreie anging. Das hier war kein Lustschrei gewesen, eher das Gegenteil. Wer so schrie, der musste Angst haben, so dachte der Oberst, und er zögerte nicht eine Sekunde.
Mit einer Behändigkeit, die man ihm kaum zugetraut hätte, wirbelte er herum und dachte in diesem Moment daran, dass er leider unbewaffnet war, denn wer ging schon mit einer Pistole in die Heilige Messe.
Prantl musste einige Kirchgänger zur Seite drücken, um freie Bahn zu haben. Dann hielt ihn nichts
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