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1719 - Totenmarsch

1719 - Totenmarsch

Titel: 1719 - Totenmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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sagen, oder?«
    »Damit liegen Sie richtig.«
    »Und was spielt sich hier ab?«
    Ihr Blick wurde trüb. Unterwegs hatten wir ihr erzählt, was uns hergeführt hatte. Große Antworten hatten wir nicht bekommen, die hatte sie sich für unsere Begegnung hier aufgespart.
    »Ein Stück Grauen. Oder ein Stück Hölle, man kann beides sagen, auch wenn es kaum nachvollziehbar ist.«
    »Und wie sieht das aus?«, fragte Suko.
    Mandy Hills Blick verlor sich etwas. »Da muss ich schon zurück in die Vergangenheit gehen. Nicht in die tiefe, vielleicht fünfzig oder sechzig Jahre. Ich kann es selbst nicht begreifen, aber wir hier erleben in manchen Nächten oder an späten Abenden den Totenmarsch.«
    Suko und ich horchten auf. »Bitte, was?«
    »Ja, Suko. Sie haben richtig gehört, und Sie ebenfalls, John. Es ist der Totenmarsch.«
    Ich fragte trotzdem nach. »Also ein Marsch von Menschen, die gestorben und tot sind.«
    »Davon muss man ausgehen.«
    »Aber dem ist nicht so?«
    »Genau.« Sie beugte sich vor und drückte beide Hände gegen die Seiten der Sitzfläche. »Die Toten sind wieder da. Sie haben sich gesammelt und formieren sich zu einem Marsch, der sie durch den Ort führt und manchmal an ihm vorbei. Da sind sie dann zu sehen und zu hören, denn ob Sie es glauben oder nicht, ihr Marsch wird auch von einer Musik untermalt. Trommeln, Flöten, eine verstimmte Geige – da ist so einiges vorhanden.«
    Mehr sagte sie nicht und sorgte dafür, dass wir über die ersten Ausführungen nachdachten. Keiner von uns belächelte das Gehörte. Dafür hatten wir in unserer Laufbahn schon zu viel erlebt. Hinzu kam, dass eventuell Matthias im Hintergrund die Fäden zog. Über ihn sprachen wir noch nicht.
    »Glauben Sie mir denn?«
    Suko nickte, ich stimmte auch zu, und so wich bei der Malerin die Anspannung. Sie gab uns auch Zeit, nachzudenken und ein Resümee zu ziehen. Meine Blicke glitten über die Werke der Malerin, von denen einige an den Wänden hingen. Andere standen so auf dem Boden, dass die Motive nicht zu erkennen waren.
    Dass Mandy Hill der Natur verbunden war, deutete sich auch in ihren Bildern an. Sie alle zeigten die Natur aus ihrem Blickwinkel. Etwas verfremdet, aber in leuchtenden Farben, wobei das Grün überwog, dem dann ein dichtes Rot folgte.
    Suko übernahm das Wort. »Und Sie rechnen damit, dass an diesem folgenden Abend oder in der Nacht diese Geschöpfe ihren Totenmarsch wieder durchziehen?«
    »Genau das glaube ich.«
    »Sie haben die Toten auch mit eigenen Augen gesehen?«, fragte ich.
    »Mehrmals.«
    »Wie sehen sie aus?«
    Handy Hill zündete sich ein Zigarillo mit Mundstück an. Nach zwei Rauchwolken gab sie uns die Antwort. »Sie werden es kaum glauben, aber diese Toten sind Skelette.«
    »Was?«
    »Ja, lebende Skelette. Es ist beinahe zum Lachen, aber wenn Sie diese Gestalten sehen, dann wird Ihnen das Lachen in der Kehle stecken bleiben. Alte Leichen, bei denen das Fleisch und die Haut längst von den Knochen gefallen ist. So kommen sie daher, manche von ihnen sind auch in Lumpen gehüllt, aber die meisten von ihnen sind einfach nur nackt.«
    Ich gab keinen Kommentar ab. Auch Suko hielt sich zurück, denn das Gehörte mussten wir erst verdauen. Mandy Hill ließ uns Zeit, und ich stellte die nächste Frage.
    »Wissen Sie mehr, Mandy? Ist Ihnen bekannt, woher diese Skelette kommen?«
    »Ja, wir müssen zurück in die Vergangenheit gehen. Etwa zwei Generationen nach hinten.« Sie paffte ein paar Wolken und sagte: »Ich kenne es auch nur aus Erzählungen. Es geschah kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Da kamen Fremde hierher ins Dorf. Musiker, Zirkusleute, manche sprachen auch von Zigeunern. Sie lebten in Wagen, die von Pferden gezogen wurden, und waren wohl von der langen Reise müde, denn sie schlugen in der Nähe des Ortes ihr Lager auf.«
    »Und sie waren nicht eben willkommen«, fügte ich hinzu.
    »Genau, John. Nur ist das zu schwach ausgedrückt. Sie waren nicht nur nicht willkommen, man hasste sie auch. Ja, man begegnete ihnen mit einem schlimmen Hass. Der Krieg steckte den Leuten noch in den Gliedern, man lehnte alles Fremde ab, und uralte Vorurteile wurden wieder ausgegraben.«
    »Gegen die Zigeuner.«
    »Richtig, John. Es hieß, dass die Menschen mit finsteren Mächten in Verbindung stünden, dass sie normale Menschen verzaubern und verfluchen könnten, und so weiter und so fort.«
    »Dann kann man sich denken, wie es endete, oder?«
    Mandy Hill nickte. »Der Hass wurde so groß, dass alle Bedenken

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