1719 - Totenmarsch
Schwester angehört. Nur war ihm das Blut ins Gesicht gestiegen, was niemand der Anwesenden übersah.
Suko und ich hatten natürlich große Ohren bekommen. Die Menschen hier in Quimlin litten offenbar unter einer Bedrohung, und ich ging schon jetzt davon aus, dass ein gewisser Matthias seine Hände mit im Spiel hatte.
»Klar, Bruderherz?«
Hill nickte und presste seine Lippen hart zusammen.
Das war Mandy Hill zu wenig, denn sie fuhr ihren Bruder erneut an. »Wenn du nichts sagst, werde ich es für dich tun, und du musst nicht denken, dass ich dabei ein Blatt vor den Mund nehme.«
So mächtig sich Graham Hill auch gab, er war unter den Anschuldigungen der Frau recht klein geworden, gab keinen Kommentar ab, und auch die anderen Zuhörer hielten sich zurück.
Die Frau wandte sich an Suko und mich. »Da, Sie haben es gehört. Jetzt ziehen Sie Ihre Konsequenzen. Wer immer Sie auch sind, ich möchte Sie bitten, sich hier einzumischen. So können wir nicht weiterleben. Hier geht etwas vor, das ich mit meinem kleinen Verstand nicht fassen kann.«
»Dann sollten wir miteinander sprechen, Miss Hill.«
Sie schob eine Haarsträhne aus ihrer Stirn. »Ja, der Vorschlag ist gut. Ich sehe schon, dass mein Bruder zu feige ist. Er duckt sich. Er hat Angst. Er ist wie die anderen. Aber man kann die Angst nur überwinden, wenn man sich selbst einen Ruck gibt, und das scheint er nicht zu schaffen.«
Hill wollte das nicht auf sich sitzen lassen. »Bitte, Mandy, achte darauf, was du sagst.«
»Warum sollen wir die beiden Männer nicht bitten, uns zur Seite zu stehen, und ich glaube auch nicht, dass sie hier zufällig erschienen sind. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen.«
»So ist es auch«, sagte Suko.
»Gut. Dann werden Sie auch verstehen, wenn ich Sie bitte, über Nacht zu bleiben.«
»Das hatten wir sowieso vor.«
Die Augen der Frau leuchteten. »Wunderbar, meine Herren, dann haben Sie in mir eine Helferin.« Sie streckte uns die Hand entgegen. »Schlagen Sie ein, wir schaffen es.«
Den Gefallen taten wir ihr. Nur waren damit unsere Fragen nicht beantwortet.
»Wie haben Sie sich denn das weitere Vorgehen vorgestellt?«, wollte ich wissen.
»Das kann ich Ihnen sagen, ich nehme Sie mit zu mir. Und dort besprechen wir das weitere Vorgehen. Ich wohne nicht bei meinem Bruder, sondern allein. Mag er sich zurückziehen, ich aber weiß, dass wir etwas tun müssen, sonst geht hier alles den Bach runter, um es mal locker zu sagen.«
Für den Toten konnten wir nichts tun. Wir ließen ihn auch nicht auf dem Grab liegen. Einige Männer packten mit an und trugen ihn in die kleine Kirche.
Das sahen wir nicht mehr, denn da waren wir bereits unterwegs zu Mandy Hill …
***
Unser Wagen parkte wenig später vor einem Haus, das vorn sehr normal aussah, zur Rückseite hin aber ein großes Fenster aufwies, das die Frau auch brauchte, denn sie hatte uns auf dem Weg zu ihr erzählt, dass sie Malerin war und vom Verkauf ihrer Bilder lebte. Zweimal im Jahr gab sie Ausstellungen und die liefen immer besser. Mandy Hill hätte zufrieden sein können, was sie im Prinzip auch war, wäre nicht der Fluch gewesen, mit dem sie leben musste.
Sie hatte uns in ihr Atelier gebeten. Um einen runden Tisch saßen wir und schauten in einen Garten, der auf den ersten Blick verwildert aussah, auf den zweiten jedoch als naturbelassenes Gelände eingestuft werden konnte. Die Sitzbänke dort waren aus Steinen und im Sommer von einer grünen Umwelt umgeben. Im Moment war der Garten noch recht kahl.
Mandy Hill wohnte allein in diesem Haus, das sie sich nach ihren Vorstellungen gebaut hatte. Ihr Bruder lebte mit seiner Familie am anderen Ende des Ortes.
»Und Sie fühlen sich nicht einsam?«, fragte ich, nachdem ich einen Schluck von ihrem köstlich schmeckenden Tee probiert hatte.
»Haha …« Ihr Lachen klang echt. »Nein, nein, ganz und gar nicht. Ich bin mir selbst genug. Und wenn es mich mal packt, dann fahre ich nach Cork oder Limerick, denn dort gibt es genügend Abwechslung. Ich habe da Freunde wohnen, die mich immer wieder inspirieren.« Sie stellte die zarte Tasse aus dünnem weißen Porzellan ab und schüttelte den Kopf.
»Sie sind bestimmt nicht hier, um meine Person auszukundschaften.«
Ich lächelte die Frau an. Ihre Haare hatte sie mittlerweile im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden.
»Doch, Mandy, denn Sie sind eine besondere Frau, die mit beiden Füßen im Leben steht und es in die eigenen Hände genommen hat. Das kann ich doch so
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