1719 - Totenmarsch
über Bord geworfen wurden.«
»Hat man die Menschen getötet?«
Mandy presste die Lippen zusammen und schaute auf die Spitze ihres Zigarillos. Nach einer Weile nickte sie und sagte: »Ja, man hat sie getötet, weil sie trotz einiger Warnungen nicht verschwunden sind. Man hat auf sie geschossen, bis alle tot waren.«
»Das war hart«, flüsterte ich und sah, dass mir Suko durch sein Nicken zustimmte.
»Ging es noch weiter?«, fragte ich.
»Klar. Man musste ja die Spuren beseitigen. Die Toten verschwanden in einem Grab, das man bereits ausgehoben hatte. Man hat Sträucher darauf pflanzen wollen, aber nichts gedieh. Und so blieb die Decke des Grabs eine freie Fläche.«
Es entstand eine kurze Pause, die uns zum Nachdenken anregte. Danach übernahm Suko das Wort.
»Ist Ihnen bekannt, wie diese Stelle jetzt aussieht?«
Mandy Hill legte den Kopf zurück und lachte. »Ja, das ist es. Ich habe mich hingetraut und dabei festgestellt, dass die Erde dort aufgewühlt aussieht. Und zwar von unten her. So etwas kann man erkennen. Also wissen wir jetzt, woher die Mitglieder des Totenmarschs gekommen sind. Da ist die Natur auf den Kopf gestellt worden, und wenn Sie mich jetzt weiterhin fragen, weiß ich keinen Rat mehr.«
Das verstanden wir gut. Aber es musste jemanden geben, der dafür gesorgt hatte, dass so etwas überhaupt hatte geschehen können. Dieses Thema schnitt ich an.
Mandy Hill hob die Schultern. »Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Ich weiß nur, dass es zu einer schrecklichen Abrechnung kommen wird. Father Gregor ist gestorben, obwohl er damals nicht dabei gewesen ist. Es gibt sowieso nur ganz wenige Menschen, die sich an diese Vorfälle erinnern können, es aber nicht wollen, nun aber sicherlich unter einem wahnsinnigen Druck leben.«
Wir wussten jetzt Bescheid, aber es gab trotzdem noch Fragen, denn wir konnten uns nicht vorstellen, dass es wie aus dem Nichts passiert war. Da musste es noch ein Ereignis gegeben haben.
»Ja, darüber habe ich auch nachgedacht«, sagte Mandy Hill. »Ich bin zu keinem Resultat gekommen.«
»Sagt Ihnen der Name Matthias etwas?«
»Danach haben Sie doch schon mal gefragt.«
»Stimmt. Aber es ist von großer Wichtigkeit, dass wir darauf eine Antwort bekommen.«
»Die kann ich Ihnen nicht geben, John.«
»Dann versuchen wir es eben anders«, sagte Suko und fing an, Matthias zu beschreiben.
Mandy Hill hörte genau zu. Sie dachte auch darüber nach, das war ihrem Blick anzusehen, aber noch während Suko redete, schüttelte sie den Kopf und sagte, dass sie einen solchen Menschen hier in Quimlin noch nicht gesehen hatte.
»Schade.«
»Ist der denn wichtig?«
Suko nickte. »Ja, sehr sogar. Man kann davon ausgehen, dass er der Initiator dieses Totenmarschs ist. Das klingt zwar absurd, aber damit sollten wir uns beschäftigen.«
Mandy wollte es nicht glauben. »Ein Mensch?«, fragte sie flüsternd. »Wie sollte ein Mensch zu so etwas fähig sein? Können Sie mir das sagen?«
»Sie müssen das anders sehen«, sagte ich. »Dieser Matthias ist zwar ein Mensch, aber in ihm steckt eine besondere Kraft oder Gabe.«
»Welche denn?«
»Er hat sich mit dem Bösen verbündet«, sagte ich und war erst mal vorsichtig bei meiner Antwort.
Mandy Hill schwieg. Wir sahen, dass sie schluckte, dann räusperte sie sich und hauchte: »Das Böse?«
»So ist es.«
»Sorry, aber das ist mir zu weit hergeholt. Damit kann ich nichts anfangen, ehrlich nicht.«
»Dann muss ich konkreter werden. Dieser Matthias ist ein Günstling des Teufels. Oder Satans. Eben des absolut Bösen, und dem hat er sich leider verschworen.«
Mandy Hill hatte meine Erklärung gehört. Sie schaute mich an, ohne etwas zu sagen. Ich wollte sie auch nicht stören und sie erst mal mit ihren Gedanken allein lassen. Außerdem wollte ich mich bewegen, denn der Bistrostuhl mit seiner schmalen Sitzfläche war nicht eben ein bequemer Sessel.
Ich stand auf und ging auf das große Fenster zu. Die Zeit war mittlerweile vergangen, und das war auch draußen in der Natur zu sehen, wo sich der Tag verabschiedete und nur noch sein Restlicht gegen die Dämmerung ankämpfte.
Im Atelier selbst brannte auch kein elektrisches Licht. Dafür sah ich den Schein einiger Kerzen, der sich auch auf dem Glas des Fensters abmalte.
Noch war es hell genug, um einen Blick in den Garten werfen zu können, was ich auch tat. Auch da breitete sich der graue Schein aus, aber er hatte das kleine Gelände noch nicht völlig umfangen, denn an einigen Stellen
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