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172 - Der Sturm

172 - Der Sturm

Titel: 172 - Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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ein Stück weiter über die Hauswand ruckte. Nach innen.
    »Warum bist du immer so streng zu dem Jungen? Er hat Recht: Wir sollten in den Mangrovenwald gehen!«, hörte Daa'tan einen der Männer sagen.
    Ein Ruck ging durch die tote Qualle.
    »Im Wald ist es nicht ungefährlicher!«, erwiderte Grao'sil'aana. Er klang gereizt. »Wir könnten von umstürzenden Bäumen erschlagen werden.«
    Stimmen brandeten auf, widersprachen dem Daa'muren. Die Männer debattierten.
    Daa'tan war fasziniert. Auf der Qualle hatte sich so viel Regen angesammelt, dass man ein kleines Boot hätte füllen können. Ihre Tentakel pendelten in Reichweite herum. Es war schwer, der Versuchung zu widerstehen, an einem zu ziehen.
    »Also, was nun: bleiben oder gehen?«, rief Ravi Shan.
    »Bleiben!«
    »Gehen!«
    Die Männer stimmten ab und kamen zu einem Ergebnis. Daa'tan sank der Kiefer herunter. Unglaublich, wie viel Wasser in so eine Qualle passte!
    »Ich freue mich, dass wir uns einigen konnten«, sagte Grao'sil'aana zufrieden. »Glaubt mir, in einer Hütte aus Stein sind wir am sichersten!«
    Die Qualle geriet in Bewegung. Tentakel peitschten durch den Raum, der Körper glitt über die Mauern – links schneller als rechts –, das Wasser verschob sich in Richtung Daa'mure. Daa'tan kreuzte seine Arme über dem Kopf und machte sich klein. Irgendwie wusste er, dass sich Grao'sil'aanas Meinung ändern würde. Gleich.
    Jeden Moment…
    ***
    Tag 1, Küste von Mukah (Malaysia Ost)
    Die Strände von Malaya waren nicht gerade malerisch mit ihren windumtosten Klippen und dem grobkörnigen dunklen Sand voll angeschwemmter Algen. Aber man ertrank auf ihnen nicht – und das machte sie für Rulfan und seine Gefährten liebenswert.
    Es war noch früh am Tag. Die fünf hatten ein Lagerfeuer entfacht und Schalentiere aufgesammelt, die das Unwetter an den Strandfelsen zerschlagen hatte. Sie brutzelten und zischten vor sich hin.
    Der Wind trug ihren Duft den Strand hinauf zu einer Palmenreihe, wo die Schiffsbesatzung saß; schweigend und mit grimmigen Gesichtern. Ihr Käpt'n stapfte ein Stück entfernt durch den Schaum der Brandung. Er sprach mit sich selbst, fluchte und drohte mit der Faust.
    »Dio mio, wird er sich noch mal beruhigen?«, stöhnte Tanaya.
    »Warum sollte er?«, fragte Geero. Der Telepath aus Doyzland zog mit spitzen Fingern eine Krabbe aus der Glut und warf sie auf das Pflanzenblatt in seiner Linken.
    Es krachte, als er eine der Scheren abbrach. Anklagend zeigte er damit auf Rulfan. »Unser Freund hier hat sein Schiff auf Grund gesetzt!«
    »Das ist doch Unsinn!«, protestierte Rulfan.
    »Und was ist das?« Geero blickte kauend Richtung Meer. Da stand die Culloden – mitten in der Brandung, den Bug landeinwärts gerichtet und von zerfetzten Segeln umflattert. Sie war auf eine Untiefe gelaufen und hing fest, daran änderte auch die einsetzende Flut nichts.
    »Zumindest sind wir heil an Land gekommen!«, sagte Rulfan. Er kraulte Chiras Nackenfell, als Käpt'n Ajib zeternd heran stapfte.
    »Siehst du, was du da angerichtet hast? Wer ist denn so blöd und kappt die Segeltaue mitten im Sturm? Bei Marwaan! Es hätte fast meine Leute über Bord gefegt, ist dir das eigentlich –« Er brach ab, als ihm Rulfans Hand an die Kehle fuhr:
    »Ich bin Rulfan von Coellen und nicht einer deiner Schiffsjungen«, sagte der Albino kalt. Seine roten Augen funkelten. »Niemand wurde getötet, und das soll auch so bleiben. Also brüll mich nicht an! Verstanden?«
    »Verstanden«, krächzte der Käpt'n. Er war zwei Köpfe kleiner als Rulfan. Geero trat hinzu. Er leckte sich die Finger ab, bevor er auf den Segler zeigte. »Wie kriegen wir das Ding wieder ins Meer?«
    Ajib hob die Schultern. »Wir müssen auf ein Schiff warten. Mit meinen Booten können wir die Culloden nicht frei ziehen.«
    »Und wann kommt das nächste Schiff?«
    »Pffff! Woher soll ich das wissen?«, schnauzte der Käpt'n wütend, ließ die Gefährten stehen und stapfte davon. Nach einer Weile rief er über die Schulter: »Wenn ihr es eilig habt, sucht euch einen anderen Segler! Westlich von Kap Datuk liegt die Grenze nach Bono, da gibt es einen Hafen. Geht die Küste entlang, dann seid ihr in drei Tagen da!«
    Rulfan runzelte die Stirn. »Warum nach Bono? Was ist mit diesem Land?«
    »Malaya ist unbewohnt!«, scholl es zurück.
    Rulfan wandte sich an Geero. »Was denkst du: warten oder wandern?«
    »Wandern! Unbedingt!« Der Doyzländer grinste. »Stell dir nur mal die Stille vor, wenn Sha'mii und

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