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172 - Der Sturm

172 - Der Sturm

Titel: 172 - Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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Möglichkeiten, dich umzubringen!« Er grinste.
    »Ha-ha!«, knurrte der Doyzländer. Nachdenklich betrachtete er das saftige Fruchtfleisch. Sein Blick wurde hungrig. »Ich frage mich, ob die Dinger essbar sind.«
    »Aber ja!« Muk'tar trat vor und nahm Rulfan die schwere holzige Schale weg. »Diese Früchte wachsen auch in Induu. Sie sind sehr beliebt, denn sie erfrischen.«
    Er pellte das Fleisch heraus und hielt es Geero hin.
    »Probier mal!«
    »Schönen Dank auch!«, sagte Tanaya mit langem Gesicht.
    Rulfan sah sich nach Chira um. Die Lupa kam über freies Gelände zurück. Sie hielt den Kopf in den Nacken gebogen.
    Stirnrunzelnd verfolgte der Albino ihren Weg. Hinter ihm stritten sich die Gefährten wie Hühner um ein Korn, als ob es nur diese eine Frucht im Wald gäbe. Er hörte nicht hin: Chira schleppte etwas heran. Sie konnte schon selbständig jagen – kleine Tiere zumindest –, doch sie war noch immer verspielt. Meistens war es ein Stock, den sie Rulfan zum Fortschleudern vor die Füße legte. Heute nicht.
    »Ich wusste es!«, sagte der Albino, als er Chiras Trophäe aufhob. Es war ein Bogen. Die Sehne war gerissen, das Holz grau verwittert. Dennoch gab es keinen Zweifel, dass diese Waffe von Menschen gefertigt und benutzt worden war. »Hier lebt jemand!«
    Die Gefährten verstummten. Plötzlich hatte der Wald mit seinen Tiergeräuschen, dem anhaltenden Wind und dem Knacken im Geäst eine ganz andere Qualität. Drei Worte genügten, um aus der Wanderung durch die schwülheiße, ansonsten aber harmlos erscheinende Umgebung ein Risiko zu machen. Hier lebt jemand!
    »Wir sollten lauschen«, sagte Tanaya. Rulfan hielt Chira am Nackenfell fest und ließ die Telepathen vorbei.
    Sie traten hinaus auf das freie Gelände, wo sie offenbar nach einem bestimmten Platz suchten. Der Grund dafür blieb Rulfan verborgen, doch er erinnerte sich, dass auch Aruula oft so gehandelt hatte.
    Aruula, dachte er. Wo bist du jetzt? Lebst du noch? Geht es dir gut?
    Rulfan sah ihr Gesicht vor sich; ihr Lachen und diese schönen großen Augen, die so geleuchtet hatten bei ihrer zufälligen Begegnung am Kratersee. War er wirklich nur auf der Suche nach Matts Gefährtin? Er dachte daran, wie ihr Lächeln erlosch, als er ihr die schreckliche Nachricht überbrachte, dass Maddrax nie mehr zurückkehren würde. Einen Moment lang – und dafür schämte sich Rulfan noch heute! –, war ihm damals der Gedanke durch den Kopf gehuscht, dass Aruula nun frei wäre. Für ihn. Doch die Tränen der Frau waren so bitter gewesen, und ihr Schmerz viel zu groß, als dass Rulfan ihn hätte wegtrösten können. Er seufzte. Nein, Matt blieb noch über den Tod hinaus ein übermächtiger Konkurrent.
    »Hörst du mir zu?«
    Tanayas Stimme ließ den Albino hochschrecken.
    »Hmm – was?«
    »Ich sagte: Es ist niemand hier!« Die junge Ittalya stemmte ihre Fäuste in die Seiten. Sie lachte Rulfan an.
    »Soll ich raten, an wen du gedacht hast?«
    »Lass ihn in Ruhe!« Sha'mii trat an Rulfans Seite, schmiegte sich an ihn und legte ihre Hand auf seine Brust. Die kleine Thalari blickte zu ihm auf. Ihre unergründlichen Augen schimmerten dunkel, als sie ihn anschnurrte: »Es ist so heldenhaft, dass du die Gefährtin deines Freundes suchst! Vielleicht kommt er ja zurück, und dann wird er auf ewig dankbar sein!«
    Rulfan nickte. »So wie ich, wenn du aufhören würdest, meine Gedanken zu erlauschen!« Er wandte sich an Tanaya. »Was heißt das: Es ist niemand da? Hier muss jemand sein! Der Bogen ist doch nicht vom Himmel gefallen.«
    Rulfan ärgerte sich und wusste nicht, warum.
    Eigentlich war es eine gute Nachricht, dass die Telepathen nichts gefunden hatten. Sie stand auch nicht im Widerspruch zu dem Bogen, der aussah, als wäre er schon seit Jahren nicht mehr benutzt worden. Aber da war noch Sha'mii ! Die junge Thalari war so erfrischend, so ungeniert und so… schön! Rulfan warf ihr einen hastigen Blick zu. Hatte sie auch das erlauscht? Er konnte es nicht sagen; sie verzog keine Miene.
    Geero kam heran. Er wies mit einem Kopfnicken auf ein dunkles Mangrovenwäldchen am anderen Ende der Freifläche. »Wenn ich mich nicht täusche, kam dein Lupa von dort! Wir sollten uns das mal ansehen – vielleicht wohnt da doch jemand und ist im Moment nur nicht zu Hause!«
    Muk'tar räusperte sich. »Wenn es euch nichts ausmacht, bleibe ich lieber hier! Ich… ich könnte ja auf die Frauen aufpassen und uns ein paar Früchte von der Palme holen.« Er lächelte verlegen.

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