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172 - Der Sturm

172 - Der Sturm

Titel: 172 - Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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»Wir müssen doch was essen.«
    »Gute Idee«, sagte Rulfan.
    »Also ich verkomme mit dir!«, rief Sha'mii und griff nach seiner Hand.
    »Komme«, verbesserte Rulfan. »Du kommst mit mir!«
    »Abgemacht!«, sagte Sha'mii, worauf Tanaya erklärte, sie würde keinesfalls allein zurück bleiben. Geero grinste nur, als er mit Rulfan und den beiden Frauen loszog.
    Chira folgte ihnen.
    Keine zwei Minuten später erreichten die vier das Mangrovendickicht. Was von fern wie ein Wäldchen ausgesehen hatte, entpuppte sich als lang gezogener dunkler Forst. Irgendwo rauschte Wasser. Anfangs war nichts weiter zu finden als großblättrige Büsche und knorrige Stämme, doch dann tauchten plötzlich Dächer auf. Ein Dorf!
    Rulfan zog sein Schwert, als er mit den Gefährten näher schlich. Einmal drehte er sich fragend nach Geero um, doch der Lauscher schüttelte den Kopf: Hier gab es keine Lebenszeichen!
    Chira trabte ohne Zögern durch das verlassene Dorf.
    Rulfan folgte ihr, und je mehr er sah, desto klarer wurde ihm, dass das Schweigen ringsum die Stille des Todes war. Die Hütten waren zerfallen. Ihre Türen lagen am Boden, auf den Dächern hatten sich Flechten und Sprösslinge angesiedelt. Hier und da verrosteten kleine Gerätschaften, und vor dem Heiligtum auf dem Dorfplatz waren bunte Steine als Opfergaben ausgelegt.
    Rulfans Augen weiteten sich: Das Heiligtum mit seinen Tasten und der zerknickten Antenne stammte sicher aus Matts Welt!
    Der Albino konnte nicht wissen, dass er vor einem solarbetriebenen Ghettoblaster stand, den ein paar Halbwüchsige vor fünfhundert Jahren geklaut hatten.
    Damals war das Gelände hier noch Sandstrand gewesen und voller Touristen. Inzwischen hatte der nachrückende Wald ihre Spuren längst verdeckt. Warum ausgerechnet ein gestohlenes Radio an der Oberfläche geblieben war, ließ sich nicht erklären. Es spielte auch keine Rolle.
    »Dio mio!«, rief Tanaya erschrocken aus einer der Hütten: Geero erschien am Eingang und winkte Rulfan heran.
    Der Doyzländer legte ihm einen Arm um die Schultern, als sie gemeinsam die Hütte betraten, und sagte ernst:
    »Wir haben eine alte Steinarena in Poruzzia, da finden Kämpfe statt, meist zwischen verfeindeten Clanführern. Es ist meine Aufgabe, den Dreck wegzumachen, wenn alle tot sind – deshalb weiß ich, was ich hier sehe!«
    Er zeigte auf die braunen Gebeine zweier Menschen am Boden. Rulfan presste die Lippen zusammen. Es musste ein schrecklicher Kampf gewesen sein: Beide Schädel waren zertrümmert, die Rippen gebrochen wie von heftigen Fußtritten. Die Arme lagen ein Stück von den Körpern entfernt. Als hätte sie jemand ausgerissen.
    In den anderen Hütten bot sich das gleiche Bild.
    Überall lagen brutal zerschlagene Skelette, klein und groß. Wer immer hier gewütet hatte, kannte keine Gnade.
    »Was machen wir jetzt, Rulfan?«, fragte Sha'mii ängstlich.
    »Wir verschwinden.« Der Albino schob sie vor sich ins Freie. »Sobald wir gegessen haben, ziehen wir weiter. Ihr müsst von jetzt an abwechselnd lauschen, dann können uns diese Schlächter nicht überraschen.«
    »Wenn sie überhaupt noch hier sind.« Geero folgte Rulfan aus der Hütte. Im Vorbeigehen hob er eine alte Steinaxt auf. »Die Toten konnten in aller Ruhe verwesen, niemand hat ihr Dorf übernommen. Das ist doch merkwürdig! Möglicherweise war ein wandernder Clan am Werk.«
    Rulfan war geneigt, Geeros Meinung zu teilen, doch das änderte sich, als er die stachelfruchtige Palme erreichte. Muk'tar war verschwunden! Erst dachten alle, der Induu hätte sich nur kurz in die Büsche geschlagen.
    Die Telepathen lauschten nach ihm. Solange er lebte, das wussten sie, konnte er sich nicht vor ihnen verbergen.
    Geero war blass, als er sich Rulfan zuwandte.
    »Ich höre nichts«, sagte er.
    ***
    Tag 2, Höhe Taiping (Malaysia West)
    Die ganze Nacht hindurch hatte der Sturm um die alte Boeing getobt. Der gesamte Pilzbestand war in flappender Bewegung gewesen, Sträucher und Äste rauschten vorbei, und es hatte geschüttet wie aus Kübeln.
    Jetzt, am frühen Morgen, machte der Sturm eine Pause.
    Es war ruhig im Mangrovenwald, kein Heulen und Tosen mehr. Tropfen fielen von den Blättern zerknickten Strauchwerks, der nasse Boden schien zu dampfen. In den Pfützen quakten Hunderte von Fröschen, und überall zirpten unablässig Insekten. Die Luft begann sich aufzuheizen. Ein erster Hauch von Schwüle durchzog den Wald.
    Etwas knarrte, und Aruulas Kopf fuhr hoch.
    Die Barbarin lag auf welkendem

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