1720 - Die Nacht der Voodoo-Queen
jetzt sogar wünsche.«
Marietta schüttelte den Kopf. »Tu das nicht, mein Freund. Leben ist Leben, aber der Tod kann ein böser Geselle sein, das solltest du nicht vergessen.«
»Nicht schlimmer als dieses Leben!« Die Antwort konnte er noch geben, dann fing er an zu weinen.
Marietta sah es, aber sie wusste nicht, wie sie ihn trösten sollte. Für seine Situation und auch Reaktion hatte sie Verständnis, denn sie wusste nicht, wie sie an seiner Stelle gehandelt hätte. Aber das war jetzt nicht wichtig.
Sie dachte an die Aufgabe, die vor ihr lag, und mit diesem Gedanken verließ sie das Haus …
***
Nichts mehr erinnerte sie an die Warnungen, die sie auf dem Hinweg erhalten hatte. Ihr Kopf war zwar nicht leer, aber die Geisterwelt blieb stumm, und Marietta fragte sich, warum das so war.
War die Verbindung zwischen ihnen abgebrochen worden? Hatten sich die Geister, die auch oft genug ihre Helfer waren, zurückgezogen, weil auch sie Furcht hatten?
Sie konnte keine Antwort darauf geben, und sie fühlte sich zum ersten Mal seit Langem verlassen und ohne Schutz.
Sie wusste nicht, ob sie sich richtig verhielt, und blieb auch weiterhin nachdenklich, als sie den Weg zu ihrem Wohnmobil einschlug und daneben stehen blieb, um sich zu orientieren. Sie wusste nicht genau, wohin sie musste, aber sie ging davon aus, diesen Weg zu finden.
Diesmal betrat sie ihr Wohnmobil von der Fahrerseite her. Die andere Seite wusste nichts von ihr, und sie nahm sich vor, dies auszunutzen.
Sie dachte daran, wie sie diesen Erry außer Gefecht gesetzt hatte. Kleine Giftpfeile waren ein äußerst wirksames Mittel, denn sie konnten lautlos abgeschossen oder geworfen werden, und in dieser Handhabung war die Voodoo-Queen eine wahre Meisterin.
Sie ging schnell und geschickt zu Werke. Das Blasrohr bewahrte sie in einem kleinen Schrank auf, der neben dem Regal stand. Um ihn zu öffnen, musste sie einen Code eingeben, dann erst konnte sie hineinfassen.
Das Blasrohr war nicht lang und deshalb sehr handlich zu führen. Die vordere Öffnung war schmaler, und in sie passten die kleinen Pfeile hinein, deren Spitzen präpariert waren. Das starke Gift war kristallisiert. Es würde sich sofort auflösen, wenn der Pfeil in der Wunde steckte. Ein Mundstück gab es ebenfalls, und Marietta lächelte, als sie den ersten der sechs kleinen Pfeile in die Hand nahm und ihn in das Blasrohr schob. Damit der Pfeil nicht bis nach hinten zum Mundstück durchrutschte, war in seinem Innern eine kleine Membrane angebracht, die den Pfeil in seiner Position hielt, aber sofort ausgestoßen wurde, wenn der Luftstrom aus dem Mund sie erreichte.
Einen kleinen Köcher aus weichem Leder holte Marietta auch noch hervor. Er bot Platz für ihre sechs Pfeile, und erst jetzt war sie zufrieden.
Sie schaute sich noch mal in ihrem Refugium um, nickte und deutete so ihre Zufriedenheit an. Alles andere würde sich ergeben.
Die Voodoo-Queen bewegte sich schnell und geschmeidig. Die Häuser mit den erleuchteten Fenstern ließ sie links liegen, für sie war die Straße wichtig.
Und sie zuckte plötzlich zusammen, als sich in ihrem Kopf etwas veränderte. Die andere Seite meldete sich zurück. Sie ließ ihre Dienerin nicht im Stich, und sie hatte auf einmal das Gefühl, eine ganze Geisterwelt in ihrem Kopf zu erleben.
Es wurde so schlimm, dass sie nicht mehr weiterging und sich gegen einen Zaun lehnte.
»Was wollt ihr?«, flüsterte sie. »Sagt es mir. Was habe ich falsch gemacht?«
Sie erhielt keine Antwort. Keine Stimme sprach zu ihr, aber in ihrem Innern spürte sie einen Druck, dem sie nicht entkommen konnte. Er breitete sich von der Kehle her bis zum Magen aus, und sie empfand ihn als eine Warnung aus der Schattenwelt.
»Was wollt ihr?«, flüsterte sie wieder in die Dunkelheit hinein. »Macht es mir klar.«
Marietta hoffte, dass ihre Bitte verstanden wurde und sie eine Antwort erhielt.
Das geschah nicht.
Ihre Enttäuschung wuchs. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. In ihrem Innern schien es zu brennen, und dann erlebte sie einen Zwang, der dafür sorgte, dass sie den Kopf drehte und dorthin schaute, wo ihr Wohnmobil stand.
Licht brannte dort nicht, auch keine Notbeleuchtung, und trotzdem sah sie den rötlichen Schimmer hinter den Fenstern. Er war recht schwach in der Dunkelheit zu erkennen, aber er war vorhanden, da irrte sie sich nicht.
In den nächsten Sekunden dachte sie darüber nach, was sie unternehmen sollte. Einfach stehen bleiben und nichts tun?
Nein, das
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