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172,3 (German Edition)

172,3 (German Edition)

Titel: 172,3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Voss
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übergeben und nichts …«
Beide schwiegen, weil sie den jeweils anderen nicht verstanden hatten.
»`Tschuldigung«, sagte Larissa und nickte ihm zu.
»Nein, nein, sag schon. Was ist mit Daniela?« Das einzige Wort, das er verstanden hatte, als sie beide gleichzeitig darauf losgeredet hatten.
»Sie hat sich heute drei Mal übergeben und überhaupt nichts gegessen.«
Viktor schüttelte verständnislos den Kopf.
»Aber sie war doch in der Schule, oder? Ist sie krank?«
Larissa sah ihn an, als wäre er begriffsstutzig und in diesem Moment wusste er den Grund: David.
»David?«, fragte er genervt und erntete einen bösen Blick.
»Ja, David! Es ist ihr immer noch ernst und sie leidet, Viktor.«
Larissa nahm seine Hand, so dass er sie ansah. Sie war wütend. Er wurde wütend. Wieder waren Andere wichtig. Und jetzt musste er über David reden.
»Sie ist 14. Das ist normal in diesem Alter. Da fühlt sich alles intensiver an, weil man es das erste Mal erlebt«, beschwichtigte er und griff nach der Fernbedienung.
»Du willst doch jetzt nicht den Fernseher anmachen?«, kommentierte sie seine Absicht.
»Doch!«
Er sah sie an. Trotzig.
»Weißt du was ich glaube, Viktor. Es dreht sich gerade alles nur um dich. Wir müssen uns um dich schmiegen, unsere Pläne um deine legen, nach deinen Empfehlungen essen und handeln. In Wirklichkeit aber sind wir dir scheißegal. Vor allem Daniela ist dir scheißegal.«
Viktors Mund stand offen. Er war sprachlos. Nicht, dass er den Vorwurf, egoistisch geworden zu sein, von Larissa nicht kannte, aber jetzt, in dieser Situation, fand er ihn völlig unangebracht, sogar ungerecht. Er sah sie an und schaltete den Fernseher ein. Larissa sprang auf, riss ihm die Fernbedienung aus den Händen und schaltete den Fernseher wieder aus. Wütend stand sie vor ihm.
»Viktor, hör zu! Ich mache mir Sorgen um Daniela, dass sie sich etwas antut und du ignorierst es wie immer einfach.«
Er stand auf, sodass sie einen Schritt zurückweichen musste.
»Es reicht mir jetzt!«, schrie er. »Dein Gerede, deine Hysterie, dein so unendliches Mitleid … nein, dein unendliches Verständnis für alle anderen geht mir sowas von auf den Sack! Gib mir jetzt die Fernbedienung zurück.«
Er griff danach, Larissa wich aus. Viktor ging einen Schritt auf sie zu.
»Gib mir jetzt die verdammte Fernbedienung, Larissa!«
»Was ist los, Viktor? Was ist bloß los mit dir?«
Sie ging einen Schritt zurück. Viktor registrierte, wie viel größer er als seine Frau war und er spürte ein Gefühl bei ihr, welches sie ihm gegenüber so offen bisher nie gezeigt hatte: Angst. Er kostete mit gemischten Gefühlen davon.
»Viktor …« Ihre Stimme wurde brüchig. »So … ich weiß nicht, ich … du bist so aggressiv.«
»Gib mir die Fernbedienung. DU machst mich aggressiv, Larissa.«
Er streckte seine Hand aus und sah sie an. Zeit verdichtete sich in ihrem Schweigen. Sie warf ihm die Fernbedienung vor die Füße, schluchzte, verbarg ihr Gesicht in ihren Händen und lief an ihm vorbei, die Treppe hoch ins Schlafzimmer. Einem ersten Impuls folgend wollte Viktor ihr nachlaufen, aber er hielt sich zurück. Er hob die Fernbedienung auf, schaltete den Fernseher ein und setzte sich auf das Sofa. Er ließ das erstbeste Programm laufen, nahm es aber nicht wahr. Es erschütterte ihn, dass ihm seine physische Überlegenheit, seine Macht gegenüber Larissa gefallen hatte. Er nagte an seiner Unterlippe und wurde unruhig. Andererseits übte Larissa mit ihrem Verhalten ebenso Macht über ihn aus. Ihre Tränen, ihre Hilflosigkeit, ihre Flucht. Immer musste er ihr folgen, sie beschwichtigen, sie trösten. Sie wollte ihn so weich und so angreifbar. Fett und träge. Er packte seinen Bauch und drückte ihn. Sollte Larissa oben heulen, er würde weiter für den neuen Viktor kämpfen und sie würde ihn dann später mögen. Sie würde lernen, ihn zu mögen.
»Scheiß McDonalds!«, fluchte er, stand auf und zog sich seine Sportkleidung an, die über dem Heimtrainer hing. Er schaltete das Gerät ein, setzte sich auf den Sattel und trat in die Pedalen. Der neue Viktor, er lachte darüber, wie er über sich dachte. Als würde er sich in einer Metamorphose befinden und etliche Kräfte würden ihn an seiner Verwandlung hindern wollen. Sein Heimtrainer piepte, er wurde zu schnell, aber er fühlte sich kaum belastet. Er erhöhte die Schwierigkeitsstufe. Aber es war so. Seit er abnahm häuften sich die Ereignisse und Verhaltensweisen, die störend auf seine Bemühungen

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