172,3 (German Edition)
schwiegen eisig und starrten ihn hasserfüllt an. Der Rest der Klasse ignorierte die drei geschlossen. Es hatten sich Fronten gebildet und sie waren so verhärtet, so zornig, dass es Viktor körperlich mitnahm. In der ersten Pause war er zu Direktor Kirschstein gelaufen, jedoch hatte dieser sich schon in einer Sitzung befunden. In der zweiten Pause hatte er wieder zum Direktor gehen wollen, aber die Anspannung war ihm auf die Verdauung geschlagen und hatte ihn auf die Toilette getrieben. Danach hatten sie mit Kellermanns Klasse zusammen einen Film gesehen, sodass er sich nicht weiter in der Schusslinie wähnte. Zum Schluss versammelte er seine Klasse im Klassenraum.
»Schaut euch für Morgen noch einmal die verschiedenen Stromkreisläufe an und überlegt einmal, was die Ursachen für einen Spannungsabfall sein können und was für Auswirkungen dieser auf die Fahrzeugkommunikation haben könnte. Wir haben Morgen zwei Stunden in der Halle, da können wir das am Objekt überprüfen.«
Er ließ seinen Blick über die Klasse schweifen und war froh, diesen Tag hinter sich zu wissen. Er musste unbedingt mit Kirschstein reden. Dennis, Alexander und Sascha blieben gelangweilt sitzen, der Rest packte schweigend seine Sachen zusammen und verließ den Klassenraum. Viktor stapelte seine Mappen und verstaute sie in seiner Tasche. Warum blieben die drei sitzen? Sein Herzschlag beschleunigte und er bekam Angst vor einer Konfrontation.
»Was ist? Der Unterricht ist beendet. Ihr könnt gehen.«
Er sah zu Dennis. Die drei jungen Männer standen auf und gingen an ihm vorbei. Viktor atmete auf, durchschritt den Raum zu den Fenstern und schloss diese. Die Tür fiel zu! Er drehte sich um. Die drei hatten sich demonstrativ vor der Tür aufgebaut und versperrten den Ausgang.
»Kann es sein, dass Sie was erhalten haben, was uns interessieren könnte, Herr VOGEL?«, fragte Dennis und betonte seinen Namen.
Viktor tastete nach seinem Handy und bemerkte, dass es sich in seiner Jackettasche befand, die über der Stuhllehne am Schreibpult hing. Sie bedrohten ihn.
»Was meinst du, Dennis?«
Dennis ging zu Viktors Schreibtisch, setzte sich auf seinen Stuhl und legte die Füße auf den Tisch, auf seine Tasche.
»Ich glaube, Sie wissen, was ich meine.«
»Nein, ich weiß nicht, was du meinst. Erzähl es mir. Und geh von meinem Stuhl runter, ansonsten muss ich dein Verhalten rügen.«
» Fuck! Du Fettarsch weißt genau, wovon ich rede!«
Dennis schnellte hoch und stürzte auf Viktor zu. Sascha und Alexander stießen sich vom Türrahmen ab und folgten ihm, so dass sie in einer Dreierreihe auf ihn zu kamen. Ein Tisch stand zwischen ihnen. Viktor überlegte, ob er das Fenster wieder öffnen und um Hilfe rufen sollte, aber falscher Scham und eine gekränkte Ehre hinderten ihn daran.
»Was wollt ihr, Jungs?«
Dennis kam ihm näher. Mit den Oberschenkeln stieß er an den Tisch und sah Viktor abschätzend an. Dann nickte er Sascha zu. Dieser ließ eine Hand in seine Jacke gleiten. Viktor schluckte, bekam Angst, die er zu verbergen suchte und rechnete damit, dass Sascha eine Waffe zog. Viktor entspannte sich, als er sah, dass es ein zusammengefalteter Zettel war. Sascha faltete ihn langsam auseinander, grinste Viktor an und überreichte Dennis den Zettel. Viktor konnte nur die leere Rückseite erkennen.
»Hör zu, Fettarsch. Ich habe hier was auf dem Zettel, was dir gehört. Und du hast was, das uns gehört. Und wenn du willst, dass das, was dir gehört, so bleibt, wie es ist, musst du mir geben, was uns gehört. Verstanden?«
Dennis legte den Zettel mit der bedruckten Seite nach oben gewandt auf den Tisch. Viktor konnte es nicht fassen. Facebook. Ein Foto, ein Profil – das seiner Tochter. ›Danny Spatz‹, keine Klarnamen, das hatte er ihr immer gesagt. Wie sind sie dahinter gekommen? Viktor griff nach dem Zettel, obwohl er wusste, dass er keine weiteren Informationen brachte. Blitzschnell griff Sascha nach seinem Arm, packte ihn, zog ihn näher zu sich heran und hielt ihn an seinem Schlips fest. Viktor war zu überrascht, um sich zu verteidigen.
»Lass los!«, schrie er und seine Stimme kratzte an ungeahnten Höhen und überschlug sich.
»Jetzt hat der Wichser Angst, Dennis!«, freute sich Alexander.
»Halt die Schnauze und hör zu!«, befahl Dennis.
Viktor riss sich zusammen, beruhigte sich, soweit es ging und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Fassung bewahren, sagte er zu sich. Keine Schwäche zeigen. Du hast die Sache im Griff. Wie ein Mantra
Weitere Kostenlose Bücher