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172,3 (German Edition)

172,3 (German Edition)

Titel: 172,3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Voss
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dass ihr bei David seid, in Ordnung?«
»Warum?«, fragte sie ihn mit großen Augen.
»Weil sie über Facebook herausgefunden haben, dass du meine Tochter bist. Über wen auch immer.«
Daniela nickte und sah zu Viktor auf. Hoffnung und Geborgenheit lagen in ihrem Blick und dieses Mal genoss Viktor die stille Bewunderung seiner Tochter.
»Du bist super!«, sagte sie und küsste ihn auf die Stirn.
»Und du bist vorsichtig!«, ermahnte er sie. »Verlasst am besten nicht das Haus. Macht euch einen Filmeabend.«
»Seid ihr nicht da?«, fragte Daniela und Angst schwang in ihrer Stimme mit.
»Ich weiß nicht, wann Mama zurückkommt. Sie ist mit Vera unterwegs. Und ich …«, er sah an ihr vorbei und hatte einen Entschluss gefasst. »Ich habe noch etwas Wichtiges zu erledigen.«
*
Das verwinkelte Backsteinhäuschen wurde schützend von den Nachbarhäusern eingerahmt, so dass es wirkte, als würden sich ihre Dächer über es beugen. Mit der Dämmerung kam ein frischer Wind auf, der feine Schneeflocken vor sich hertrieb. Abseits der Geschäfte auf den vorweihnachtlich belebten Ladenstraßen stand Viktor und überprüfte die Adresse auf der Karte von Frau Röderer. Er wunderte sich. Ein kleines Geschäft mit selbstgetöpferten Tassen, Kannen, Tellern und Schüsseln lag vor ihm, die Auslage liebevoll dekoriert mit heimelndem Lichtschein im Innern. Viktor legte die Hände seitlich an sein Gesicht und spähte ins Ladeninnere hinein. Frau Röderer saß an ihrem Verkaufstisch und las in einem Buch. Er klopfte sich den Schnee von seinem Mantel und trat ein. Ein Glöckchen verkündete seine Ankunft. Der Geruch von Zimt und Vanille lag in der Luft und die Wärme prickelte angenehm auf seinem Gesicht. Frau Röderer sah erwartungsvoll auf und begrüßte ihn mit einem ernsten Nicken, als sie ihn erkannte. Sie stand auf und kam Viktor entgegen, ging an ihm vorbei, hängte ein Holzschild mit der Aufschrift ›Geschlossen‹ an die Tür und schloss diese ab. Dann reichte sie ihm die Hand.
»Guten Abend«, begrüßte sie ihn.
»Guten Abend«, entgegnete Viktor, sich in seinem Entschluss, hierher gekommen zu sein, immer unsicherer werdend.
»Bitte folgen Sie mir. Wir gehen in meinen Tempel«, sagte sie, schritt an ihm vorbei und löschte das Licht. Hinter dem Verkaufsraum ging es durch einen schmalen Flur. Eine Steintreppe führte in eine Töpferwerkstatt. Frau Röderer knipste das Licht an und öffnete eine grün gestrichene Tür aus einfachen Brettern, die in einen Hinterhof mündete.
»Sie hätten auch dort durch den Torbogen direkt zu meinem Tempel gehen können«, erklärte sie Viktor.
»Ihren Tempel?«
Seine Neugier wuchs.
»Na ja, ich nenne es so. Wahrscheinlich machen Sie sich jetzt falsche Vorstellungen.«
Sie schloss die Tür hinter sich und überquerte den Hof. Tanzende Schneeflocken wurden durch den Lichtschein aus zahlreichen Fensteröffnungen illuminiert, Geräusche häuslichen Beisammenseins drangen an Viktors Ohr. Über einen angelegten Weg, der durch einen kleinen, verwunschenen Garten führte, gelangten sie an ein einfaches Gebäude aus rotem, verwitterten Backstein, dessen Frontseite von Efeu überwuchert wurde. Viktor vermutete, dass es sich um einen ehemaligen Stall handelte. Frau Röderer schloss die Tür auf und entzündete mit einem Streichholz zwei Kerzen, die direkt links und rechts neben der Tür in gusseisernen Haltern standen, , jeweils durch einen Glaszylinder vor Wind geschützt.
»Warten Sie«, riet sie Viktor und bahnte sich im schummrigen Schein der aufflackernden Kerzen einen Weg in den Raum. Weitere Kerzen entflammten und eine kleine Tischleuchte strahlte warmes Licht aus.
Viktor besah sich den Raum. Links in der Ecke zur Tür stand ein großer, wurmstichiger Schrank. Ein klobiger Holztisch trennte den Raum zur Hälfte, auf ihm ruhte ein sonderbares Diorama: Heiligenfiguren und Symbole unterschiedlicher, bekannter Weltreligionen standen in scheinbarer Unordnung beieinander. Dazwischen schmiegten sich Schüsseln, Krüge, Tiegel, Pflanzenreste, wie Wurzeln, Früchte und vertrocknete Blätter. Knöcherne Tierschädel und Tiergerippe lehnten aneinander, mehrere Puppen standen hervor und schienen sich einen Überblick verschaffen zu wollen. Etliche Räucherstäbchen ragten aus verschiedenen Orten der unbelebten Gesellschaft empor. Dahinter stand ein Aquarium. Doch anstelle von bunten Salmlern und tarnfarbenen Welsen, thronten ein bunter Jesus Christus, Buddha und eine schwarze Holzfigur in Frack und mit Zylinder,

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