172,3 (German Edition)
nickte.
»Glauben Sie, dass jemand den Automat manipuliert hat?«
Kommissar Schubert ließ sich auf seinen Stuhl zurücksinken und betrachtete das Deckenlicht.
»Ja, das ist nicht auszuschließen«, antwortete er.
»Oder Herr Krüger wurde gebissen«, ergänzte Kollege Bräunle und erntete einen missbilligenden Blick seines Vorgesetzten.
»Gebissen?«, hakte Viktor nach.
»Vergessen Sie´s. Mit so einem Unsinn wollen wir uns nicht aufhalten. Wir melden uns gegebenenfalls bei Ihnen. Guten Tag.«
Die Beamten standen auf und verließen kopfnickend das Büro.
»Gebissen«, flüsterte Viktor, nachdem die Polizisten die Tür hinter sich geschlossen hatten und ihm kam der Gedanke gar nicht so unsinnig vor.
*
›Bin bei Vera‹ stand auf einem Zettel am Telefon. Kein Wort der Versöhnung, kein Anzeichen auf eine Aussprache. Viktor zerknüllte den Zettel wütend. Vera, eine ihrer guten Freundinnen. Vera und Lars – mit denen sie als Paar gelegentliche Ausflüge unternahmen oder einfach bei einem Glas Wein zusammen saßen. Er verstand sich mit Lars. Noch. Viktor vermutete, dass Larissa sich mit Vera traf, um sich Rat zu holen. Rat darüber, wie sie mit ihrem onanierenden Mann verfahren sollte. Er stellte sich das nächste gemeinsame Treffen vor. Die Blicke.
»Scheiße, warum macht sie das?«, fragte er sich. Er konnte schon verstehen, dass Larissa … schockiert gewesen war, aber war das ein Grund, gleich damit hausieren zu gehen, ohne sich vorher gemeinsam abzusprechen?
»Papa?«, hörte er Daniela von oben rufen. Sie lief die Treppe zu ihm herunter.
»Hi, Süße. Na, wie war dein Tag?«
Sie legte den Kopf schief und musterte ihn.
»Wow, du bist ja noch dünner geworden«, stellte sie fest.
Es häufte sich, dass Leute ihn auf sein verändertes Aussehen ansprachen. Gerne hätte er das Lob genossen, aber er fühlte sich nicht in der Lage dazu. Er lächelte verlegen.
»Mein Tag war gut und deiner?«, antwortete sie.
Er schnaufte und schüttelte den Kopf, was soviel hieß, wie ›Bitte frag nicht‹. Sie überlegte sich die nächsten Worte. Anhand der vorherrschenden Stimmung bei ihrem Vater hätte sie die Frage lieber nicht gestellt.
»Papa?«
»Ja.«
Er zog sich die Schuhe aus und sah sie an.
»Papa, kann David heute …«
»David, David, David!«, fauchte er sie an und gestikulierte wild. Daniela wich vor ihm zurück und blieb im Türrahmen stehen. Ihre Augen wurden feucht und ihr Gesicht verzog sich. Viktor drohte von einer Wut überrannt zu werden, die ihm Freude an seiner Macht bereitet hätte, aber die Liebe zu seiner Tochter, seinem großen Mädchen, das mit Tränen in den Augen verzweifelt vor ihm stand, dämmte seine Raserei. Er ging auf sie zu, nahm sie in den Arm.
»Süße. Pst … alles ist gut. Entschuldige.«
Sie legte den Kopf an seine Brust und schluchzte.
»Was ist denn, Kleines?«
Viktor war verzaubert von der Nähe, die sie zuließ. So groß und doch immer noch sein kleines Mädchen.
»Papa«, sagte sie mit zerbrechlicher Stimme und hob ihren Kopf.
»Ja?«
»Ich frage das, weil wir … also … als ich …«
Ein Schluchzen unterbrach sie.
»Ist schon gut. Beruhige dich.«
Er streichelte ihr sanft über den Kopf.
»Also gestern habe ich ja bei David übernachtet und …«
Wieder konnte sie nicht zu Ende sprechen. Viktors Blick verfinsterte sich. Sollte David seiner Tochter etwas angetan haben, würde Viktor ihn … töten. Ja, das würde er.
»Also, wir waren nachmittags noch rau … spazieren. Hinter dem Grundstück, so im Moor. Und da ist uns was gefolgt.«
»Wer?«, fragte Viktor scharf, so dass Daniela sich erschrak.
»Wir wissen es nicht. Es ist die ganze Zeit neben uns herum geschlichen, so dass sogar David mulmig wurde.«
Lappen , dachte Viktor und nickte.
»Und dann?«, wollte er wissen.
»Nichts. Wir sind wieder zurückgegangen, aber das war so unheimlich, Papa. Ständig hat es geraschelt und irgendetwas ist uns gefolgt.«
»Irgendetwas oder irgendwer?«
Daniela sah ihn überrascht an.
»Äh, ich weiß gar nicht.«
Ihr lief ein Schauer über den Rücken.
»Vielleicht irgendetwas?«, antwortete sie, unsicher darüber, was irgendetwas denn bedeuten konnte. Viktor umfasste seine Tochter an den Schultern und sah sie ernst an.
»Hör zu, Kleines. An der Schule habe ich Ärger mit drei Schülern. Die haben mir gedroht. Vielleicht wollten sie euch erschrecken, um mich einzuschüchtern. David und du, ihr schlaft heute hier und macht euch einen gemütlichen Abend. Aber auf Facebook sagst du deinen Freunden,
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