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172,3 (German Edition)

172,3 (German Edition)

Titel: 172,3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Voss
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Zigarre rauchend, inmitten von Kinderspielzeug und Eiern. Frau Röderer schaltete eine grelle Neonbeleuchtung ein, die im Kontrast zu dem ansonsten vorherrschenden milden Licht stand.
»Bitte setzen Sie sich«, forderte sie Viktor auf. Er setzte sich auf einen vor dem Tisch stehenden Stuhl und Frau Röderer nahm hinter dem Tisch Platz.
»Beeindruckend«, bemerkte Viktor.
»Mit den Jahren gewachsen«, pflichtete sie ihm bei. »Ich bin Beate.«
»Viktor.«
Sie nickte. Eine Pause entstand, in der er sich weiter umsah. Hinter ihm war der Raum leer, rechts in der Ecke stand eine schlichte Holzbank. Gegenüber, in der anderen Ecke, konnte Viktor Rußspuren entdecken, die bis zur halben Höhe des Raumes reichten. Ein Aschehaufen dort sorgte für den Geruch von erkaltetem Rauch, der sich mit dem Duft von Weihrauch und etwas Beißendem vermischte. Frau Röderer zog unter dem Tisch eine Schublade hervor und suchte darin.
»Es ist so …«, sagte sie einleitend, während sie das Fach abtastete, »das, was dir folgt, müssen wir ergründen. Wir müssen seine Natur kennenlernen, damit wir einen Weg finden, es zu verbannen.«
Fündig geworden zog sie eine Packung Zigaretten hervor und legte sie auf den Tisch. Sie entfachte ein Zündholz und ließ mit ihm Räucherstab für Räucherstab erwachen. Zierliche Rauchsäulen kräuselten sich empor und füllten den Raum mit dem Duft von Myrrhe und Salbei.
»Also, Beate, du meinst das wirklich ernst, ja?«, fragte Viktor unsicher.
Sie sah ihn streng an, entzündete die Zigarette und blies Rauch in die Luft.
»Das musst du entscheiden, wie ernst es dir ist. So, wie ich das sehe, ist es sehr ernst.«
Viktor dachte nach. Der Rauch kratzte im Hals.
»Gut«, willigte er ein. »Aber muss das hier so verqualmt sein?«
Er versuchte den Rauch mit den Händen zu vertreiben.
»Der Rauch ist gut für die Geister. Food for the spirits , wie wir sagen. Es lockt sie an.«
»Aha, verstehe«, sagte Viktor, ohne verstanden zu haben, und fühlte sich unbehaglich, wie immer, wenn Geschehnisse nicht durch naturwissenschaftliche Gesetze erklärbar waren. Jedoch gab es bisher keinen Beweis für die Existenz von Geistern und so zweifelte er.
»Kann ich sie … spüren? Die Geister?«, fragte er.
Beate zündete sich eine zweite Zigarette an und steckte die erste noch glimmend in den Aschenbecher, wo sie weiter qualmte.
»Vielleicht. Das hängt davon ab, wie empfänglich du bist und wie stark oder mächtig der Geist ist, der dir folgt.«
Stoßweise sog sie an der Zigarette und räucherte weitere Puppen und Heiligenfiguren ein. Auch diese Zigarette ließ sie in einem Halter vor sich hin glimmen. Sie stand auf, hob die Abdeckung des Aquariums an, stellte sie beiseite und sammelte mehrere Eier ein, die sie in eine Schüssel auf dem Tisch legte. Sieben, zählte Viktor mit. Beate fügte die Abdeckung wieder ein und setzte sich.
»Ich bin ein wenig aufgeregt«, sagte sie und lächelte gequält. »Na ja, lass uns beginnen. Hast du Geld dabei?«
Viktor zuckte innerlich bei dieser Frage zusammen. Die Glaubwürdigkeit der ganzen Aktion schrumpfte gerade auf ein Minimum zusammen.
»Ja, natürlich«, antwortete er lässig und ließ, als er in seinem Mantel nach seiner Börse suchte, seine Haltung in Form von Missachtung durchscheinen.
»Wie viel wollen Sie?«, fragte er herablassend.
»Es ist nicht für mich, Viktor. Es ist für den Geist. Wir … nein … du … musst ihm ein Opfer bringen«, erklärte Beate und positionierte eine Holzfigur, einen hageren Holzmann mit struppigem, schwarzem Haar, zwischen die beiden qualmenden Zigaretten.
»Tja«, entgegnete er knapp und blätterte in seinem Portemonnaie. Ein Fünfziger, ein Zwanziger und ein Zehner. Er entschied sich für den Zwanziger und reichte ihn über den Tisch. Sie rollte ihn zusammen, steckte ihn der Holzfigur in die Hände, zündete sich eine weitere Zigarette an und blies den Rauch mit einem gutturalen Laut auf den hageren Holzmann.
»Chuh-ttie«, verstand Viktor und zuckte wegen der Fremdartigkeit und der Tiefe des Tons zurück. Beate wiederholte diesen Vorgang sieben Mal, ehe sie mit einem Streichholz den Schein entfachte und ihn abbrennen ließ. Innerlich hatte Viktor protestieren wollen, aber gebannt schaute und hörte er Beate zu.
»Zieh dich aus, Viktor. Und stelle dich in den Raum.«
Viktor wollte nachfragen, aber Beates Erscheinung – ihr Auftreten – ließ keinen Widerspruch zu. Er überlegte, wie weit er sich ausziehen sollte und entschloss sich,

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