1724 - Die Heilige der Hölle
nicht stimmte.
Am Rücken hatte ich keine Augen, und da traf mich so etwas wie ein eiskalter Hauch.
Ich fuhr herum.
Der Gang vor mir war leer.
Das dachte ich ihm ersten Moment und wollte mich schon wieder entspannen, als ich die schwachen Umrisse einer Gestalt sah, die sich vor mir abmalte, als wäre sie von einem Maler dort hingepinselt worden. Obwohl sie nicht sehr kompakt war, erkannte ich sie. Es war der Gleiche, den mir mein Freund Godwin beschrieben hatte. Der Mann mit der Lanze, der eine schwarze Kutte mit Schalkragen trug.
Auch jetzt sah er noch so aus, und ich entdeckte sogar die rot geschminkten Lippen in seinem Gesicht.
»So sehen wir uns wieder, John …«
Er kannte mich, ich kannte ihn, denn jetzt hatte ich seine Stimme gehört.
Vor mir stand jemand, der die Hölle beherrschte oder das Reich der Finsternis. Er war weltbekannt. Er hatte viele Namen in den verschiedenen Sprachen.
Bei uns wurde er als Teufel, Satan oder als der Gehörnte bezeichnet.
Ich kannte ihn unter einem anderen Namen.
»Asmodis!«, flüsterte ich scharf …
***
Er lachte, und sein Lachen hörte sich an wie ein Gegacker. »Sehr gut, du hast mich also nicht vergessen. Welch eine Ehre.«
»Darüber kann man streiten. Aber ich habe gewusst, dass du im Hintergrund deine Fäden ziehst. Damals war das so, und es ist bis heute so geblieben.«
»Ja. Ich hasse es, wenn man meine Freunde vernichtet. Bettina wurde ertränkt, das war schlimm. Dabei habe ich sie den Mönchen zugeschoben. Sie zogen sie groß. Sie ist dann gegangen, weil ich sie für reif genug hielt. Sie sollte gewisse Aufgaben erfüllen, was sie leider nicht geschafft hat, weil man sie entdeckte, und man tötete sie, hat sie ertränkt wie eine Katze, und das konnte ich einfach nicht zulassen. Deshalb habe ich mir die Männer vorgenommen. Sie hatten keine Chance. Sie schliefen, und ich bin über sie gekommen.«
»Du hast alle getötet.«
»Ja, das dachte ich auch. Leider ist mir einer entkommen, und den kennst du.«
»Ja, er ist bei mir.«
»Dabei hat er meiner kleinen Freundin helfen wollen. Er war auf dem falschen Dampfer. Ich hätte es ihm gegönnt, aber er kam spät, doch nicht zu spät.«
»Was soll das heißen?«
Asmodis, der sich in seiner Rolle sichtlich wohl fühlte, lachte kichernd. Er wedelte mit den bleichen Händen und freute sich schon darauf, was passieren würde, wenn beide wieder zusammentrafen.
»Sie werden sich bestimmt erkennen. Es wird mein Spiel, das kann ich dir schwören.«
»Aha, mit einem Spielverderber rechnest du nicht?«, höhnte ich. »Wir kennen uns. Wir stehen uns nicht zum ersten Mal gegenüber. Ich weiß, dass du mich gern in die Hölle zerren würdest, wie immer sie auch aussehen mag …«
Er unterbrach mich. »He, ich biete dir jede Hölle an, die du willst. Du brauchst mir nur zu sagen, was du haben oder sehen willst, dann hast du sie.«
Das war nicht gelogen. Asmodis war ein Trickser, ein Scharlatan der übelsten Sorte. Er konnte den Menschen etwas vorgaukeln und sie dann voll ins Messer laufen lassen. Er setzte auf ihre negativen Eigenschaften und hatte damit leider oft genug Erfolg.
»Was ist? Hast du dich entschieden?«
»Ja.«
Asmodis lachte. Dann winkte er mit der einen Hand ab. »Ich weiß ja, wofür du dich entschieden hast, weil ich dich kenne. Deshalb lasse ich dich in Ruhe. Aber die anderen sollen die Kräfte der Finsternis erleben. Viel Spaß …«
Es waren seine letzten Worte, denn er drehte sich um, ging und löste sich auf.
Ich stand auch weiterhin im Flur und machte mir meine Gedanken. Eigentlich hätte ich das Kreuz aktivieren müssen. Ich wusste ja, dass diese Waffe ihn schlagen konnte. Aber ich hatte es nicht getan, denn er wäre schnell genug gewesen, um zu verschwinden.
Dann dachte ich darüber nach, ob ich meinen Freunden von der Begegnung erzählen sollte.
Ich entschied mich dagegen. Zumindest der Pater und Sarah Winter wären stark verunsichert gewesen, und das wollte ich nicht riskieren. Asmodis hatte mir den Fehdehandschuh vor die Füße geworfen, und ich war bereit, ihn aufzuheben …
***
In der Eingangshalle fand ich sie nicht. Da die Tür offen stand, hörte ich ihre Stimmen. Sie hatten sich draußen versammelt und schwiegen, als ich zu ihnen trat.
Godwin kam auf mich zu. »Und? Gibt es etwas Neues?«
Natürlich gab es das, aber ich sagte es nicht. »Nein, es ist nichts mehr vorhanden, was uns gefährlich werden könnte.«
Der Templer erwiderte nichts. Er blickte mich nur
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