1725 - Hängt die Hexe höher
ist.«
»Dann sollten wir jetzt fahren.«
»Genau das hatte ich vor. Aber erst lösen wir die Kette. Bleib du hier, ich nehme mir die andere Seite vor.«
»Okay.«
Ich ging über die Straße und war alles anderes als euphorisch. Wir hatten zwar ein erstes Hindernis aus dem Weg geräumt, aber das war nur ein kleiner Schritt gewesen. Größere und auch gefährlichere würden folgen.
Nachdem wir die Kette von den beiden Baumstämmen gelöst hatten, ließ ich sie nicht auf der Straße liegen, sondern zog sie auf meine Seite, wo ich sie auf dem Waldboden liegen ließ. Man musste schon sehr genau hinsehen, um sie zu entdecken.
Am Golf trafen wir wieder zusammen. Es war in der Zwischenzeit kein Fahrzeug gekommen, das in Richtung Ticehurst gelenkt worden wäre. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass um den Ort herum ein Bann lag, der nicht durchbrochen werden konnte.
Als wir im Golf saßen und ich starten wollte, holte Jane ihr Handy hervor. Ich kam nicht dazu, ihr eine Frage zu stellen, die Erklärung erhielt ich schon vorher.
»Ich habe Grace Golding versprochen, sie anzurufen, wenn ich in der Nähe bin.«
»Ja, tu das.« Ich räusperte mich. »Wo, glaubst du, wirst du sie finden?«
»Kann sein in ihrer Wohnung. Es ist aber auch möglich, dass sie sich bei ihren Freundinnen aufhält. Sie hat das Treffen vorbereitet und sich deshalb in Ticehurst eingemietet.«
»Verstehe.«
»Und ich habe auch Angst davor, dass es noch mehr Tote gegeben haben könnte.«
»Du meinst noch eine Hängepartie auf dem Friedhof?«
»Ja. Oder woanders.«
Ich hob nur die Schultern und ließ Jane in Ruhe telefonieren. Sie bekam auch Anschluss, und sie stellte den Lautsprecher ein, damit ich mithören konnte.
»Ich bin es – Jane.«
»Schön, deine Stimme zu hören. Und wo steckst du?«
Jane sagte es ihr.
»Dann kannst du ja in wenigen Minuten bei uns sein.«
»Richtig. Nur musst du mir sagen, wohin ich fahren muss.«
»Ich bin nicht im Ort, wo ich was gemietet habe, ich halte mich bei meinen Freundinnen auf.«
»Bei den Wohnwagen?«
»Ja, auf dem Platz, auf dem wir auch die Nacht verbringen wollen.« Dann erklärte Grace, wie wir zu fahren hatten.
»Okay, dann kommen wir.«
Es entstand eine kurze Pause. »Du hast ihn also mitgebracht?«
»Habe ich, Grace, und es ist gut gewesen, dass er bei mir war. Denn es hat schon Probleme gegeben.«
»Wie denn?«
»Das erzähle ich dir später.«
»Okay, wir warten.«
Das Gespräch war beendet. Jane steckte ihr Handy weg und schaute mich an. »Ist das in deinem Sinne?«
»Ja, alles klar.«
»Dann lass uns fahren, bitte …«
***
Es war zwar kein verwunschener Ort, in den wir fuhren, aber es sah auch nicht so aus, als wäre er vergessen worden. Hier präsentierte sich alles sauber und nett. Gepflasterte Straßen, Vorgärten, in denen es blühte, eine saubere Hauptstraße und schmale Wege, die von ihr abgingen. Wiesen und Felder sahen wir ebenfalls. Es gab kleine Geschäfte für den täglichen Bedarf. Ein Bäckerladen war ebenso vorhanden, wie der eines Metzgers.
Es gab ein Hinweisschild auf den Friedhof, an dem wir aber nicht vorbeifuhren. Wir mussten bis an das Ende der Ortschaft und dort in einen schmalen Weg einbiegen, der uns wieder ins freie Gelände brachte, wo der Platz lag, auf dem sich die Hexen getroffen hatten.
Es war eine große Wiese, an deren einer Seite sich Wald ausbreitete. Auf dem freien Platz standen zwei Wohnmobile.
Wir rollten auf die Wiese zu und hatten den Eindruck, in einer Schaukel zu sitzen, denn der Untergrund war alles andere als eben. Wir waren bereits gesehen worden. Drei Frauen sah ich zwischen den Wagen stehen, die uns nicht entgegenkamen, sondern abwarteten.
»Wer ist denn Grace Golding?«, fragte ich.
»Keine davon.«
Wir rollten die letzten Meter, und als ich auf die Bremse trat, wurde die Mitteltür eines Wohnmobils geöffnet. Eine Frau mit blonden Haaren trat ins Freie.
»Ist sie das?«, fragte ich.
»Ja, Grace Golding.«
Sie kam auf unseren Wagen zu. Ich stellte den Motor aus. Vier Frauen oder Hexen hatte ich bisher gesehen. Wie viele sich noch in den Wagen aufhielten, wusste ich nicht. Das war mir auch egal, denn ich konzentrierte mich auf Grace Golding.
Sie war eine überdurchschnittlich große Frau. Bekleidet war sie mit einer schwarzen Hose und einem umhangähnlichen Oberteil, das in Höhe der Hüften endete.
Ich hielt mich etwas zurück, während sich die beiden Frauen begrüßten. Neben der Fahrerseite stand ich. Der
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