1728 - Luzifers Botin
nehmen.
Angezogen hatte ich mich schon im Bad. T-Shirt, eine Hose aus dünnem Stoff, locker eben.
Und dann war es mit meiner Lockerheit vorbei, als ich mein Wohnzimmer betrat.
Ich hatte Besuch bekommen.
Er stand mitten im Raum.
Er war kein Fremder, sondern ein guter Bekannter, auch wenn ich ihn als eine leicht zwielichtige Persönlichkeit einstufen musste.
Der Besucher war kein Geringerer als Raniel, der Gerechte!
***
Ich fragte ihn nicht danach, wie er in meine Wohnung gekommen war. Er war eben da, und er gehörte zu den Personen, die darauf auch keine Antwort geben würden.
Lange Zeit hatte ich nichts mehr von ihm gehört und gesehen. Jetzt war ich froh, ihn zu sehen, denn ich wusste, dass er auf meiner Seite stand. Den Namen der Gerechte hatte er sich selbst gegeben, wobei es ihm um eine bestimmte Gerechtigkeit ging, die er sich selbst zu eigen gemacht hatte.
Er war derjenige, der bestimmte, was gerecht und was ungerecht war. Dabei ging er mit meinem Gerechtigkeitsgefühl nicht immer konform. Er hatte sich seine eigenen Gesetze geschaffen, und man konnte sie auch unter den Begriff Rache einordnen.
***
Er sah aus wie immer. Ich hatte ihn nie anders gesehen als in seinem langen dunklen Mantel mit dem hochgestellten Kragen. Ebenso dunkel wie der Mantelstoff war sein langes Haar, das ihm bis auf die Schultern reichte. Er hatte ein Gesicht mit sehr männlichen Zügen und Augen, deren Blick sehr hart sein konnte.
Raniel war ein Mensch. Aber nicht nur das. Er war auch ein Engel. Man konnte bei ihm von einer gespaltenen Persönlichkeit sprechen, was in seiner Vergangenheit begründet lag. Seine Waffe hielt er unter der langen Kleidung versteckt. Es war das Lichtschwert, die Bibel des Gerechten, wie er es nannte. Sein eigener Körper war mit dem eines Engel verschmolzen worden, und nur so hatte er entstehen können.
Interessant waren auch seine Augen. Bei ihnen musste man von einem hypnotischen Blick sprechen. Es war ihm möglich, in seinen Augen Bilder erscheinen zu lassen, und eigentlich hätte er zur anderen Seite gehören müssen, denn er war in früheren Zeiten von einer besonders bösen und grausamen Dämonin verführt worden, von Lilith. Aber Raniel hatte den Weg ausgeschlagen und einen anderen genommen.
Diese Gedanken wirbelten in wenigen Sekunden durch meinen Kopf. Ich musste sie auch erst verdauen, bevor ich ihn ansprechen konnte.
»Du also, Raniel. Ich grüße dich.«
»Danke, John.«
»Wir haben uns lange nicht mehr gesehen.«
Er nickte. »Das ist richtig. Inzwischen ist viel passiert.«
Ich musste lachen. »Was meinst du damit? Bei dir oder bei mir?«
»Bei uns beiden, denke ich.«
»Das ist wohl wahr. Und jetzt bist du zu mir gekommen. Bestimmt nicht, um mir nur einen guten Abend zu wünschen.«
»Das werde ich trotzdem. Aber ich weiß auch, dass du ein Problem hast.«
Irgendwie ahnte ich schon, worauf er hinauswollte, behielt es jedoch noch für mich und sagte: »Tatsächlich?«
»Ja, John Sinclair. Auch wenn man mich nicht sieht, ich bin überall und ich weiß, was läuft. Ich bin der Gerechte, und ich habe diesen Namen nicht vergessen. So weiß ich weiterhin, was ich tun muss, wenn es darauf ankommt.«
»Und das ist jetzt der Fall?«
»So ist es.«
»Du willst mir zur Seite stehen?«
»Ich muss«, sagte er. »Manchmal gibt es Dinge, die auch für einen Menschen wie dich nicht zu lösen sind. Ich weiß, dass du momentan damit beschäftigt bist.«
Genau diese Worte sagten mir, dass alles auf einen bestimmten Fall hinauslief. Es ging um die Mörderin der drei Menschen, und Raniel erriet meine Gedanken.
»Du jagst eine Mörderin, die kein Mensch ist.«
»Exakt.«
»Sie ist ein Engel, John!«
»He, du bist gut informiert.«
»Das muss ich sein. Ja, ich weiß Bescheid. Und ich weiß auch, wie gefährlich diese Person ist. Brandgefährlich. Sie nimmt keine Rücksicht auf Menschenleben. Sie tötet aus Lust. Sie ist in eine Welt geschickt worden, in die sie nicht hineingehört.«
»Warum kümmerst du dich gerade um diesen Fall?«
Raniel bewegte sich und ließ sich in einem Sessel nieder. »Weil ich der Gerechte bin und es nicht hinnehmen kann, was sie vorhat. Da muss ich einfach eingreifen.«
Ich stellte mich auch bequemer hin und stützte meine Hände auf die Rückenlehne des zweiten Sessels.
»Wenn ich dich so höre, scheinst du die Person gut zu kennen.«
»Das ist der Fall.«
»Und weiter?« Ich war gespannt darauf, den Namen zu erfahren, denn ich ging davon aus, dass
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