1729 - Totenliebe
für ein Leben?
Diese Frage stellte sich automatisch, und ich dachte daran, dass ich in diesem Gebäude nicht leben wollte. Alles war und wirkte offen, aber dahinter lauerte so etwas wie ein Knast.
Wohin war Glenda verschwunden? Wer hatte sie empfangen? Was taten die Menschen hier?
Ich wusste es nicht, denn hier war nichts zu entdecken, was auf ein Leben in diesem Haus hinwies. Hinzu kam die Stille. Aus keinem der Zimmer war ein Geräusch zu hören. Es schien niemand im Haus zu sein, und das konnte ich nicht glauben.
Sollte ich Glenda anrufen oder damit noch warten? Wir hatten es ja abgesprochen, und ich entschied mich dafür, erst noch abzuwarten. Ich wollte zunächst einen Blick in das eine oder andere Zimmer werfen, um festzustellen, ob es überhaupt bewohnt war.
Die nächste Tür lag nicht weit entfernt. Ein Schritt brachte mich in ihre Nähe. Ich stand auch weiterhin im Licht. Niemand kümmerte sich um mich.
Die Klinke ließ sich bewegen. Ich schlüpfte über die Schwelle und hinein in den Raum.
Es war ein Zimmer.
Es brannte auch Licht. Das stammte von einer Stehlampe, die neben einem Sessel stand, in dem eine junge Frau saß. Es war nicht Elisa. Diese hier schätzte ich erst auf zwanzig Jahre. Sie trug einen kurzen schwarzen Rock und eine weiße Bluse, deren Stoff durchsichtig war, sodass sich die Brüste deutlich abzeichneten.
Die junge Frau schlief. Ihr Bett war unbenutzt. Ich war davon überzeugt, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Alles wirkte auf mich wie gestellt, und ich ging fast davon aus, dass die Person nicht freiwillig hier im Sessel hockte.
Ansonsten war das Zimmer schlicht eingerichtet. Es gab noch einen Schrank, aber die Glotze fehlte. Die hatte jeder Knastologe bei sich in der Bude.
In was war ich hier hineingeraten? Für mich stand fest, dass die Normalität ihre Grenzen überschritten hatte, und als ich mich der jungen Frau näherte, um sie genauer unter die Lupe zu nehmen, da fiel mir auf, dass ihre Augen nicht geschlossen waren.
Trotzdem schlief sie.
Für mich war das kein normaler Schlaf. Das war überhaupt kein Schlaf, sondern ein Zustand, der künstlich herbeigeführt worden war. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass man die Person unter Drogen gesetzt hatte.
Ich schaute sie mir genauer an, prüfte auch die Pupillen und sah, dass ich recht hatte. Sie waren verkleinert. Irgendjemand wollte nicht, dass diese Person so schnell wieder aufwachte. Auch die Kleidung deutete nicht darauf hin, dass die Frau Mitglied in einem Nonnen- oder Beginenorden war.
Wenn ich nach einem Vergleich suchte, dann war mir schon jetzt klar, dass ich in ein Wespennest gestochen hatte. Ich wusste nur nicht, wie die Verbindung zu diesem toten Templerkrieger hergestellt werden konnte.
Ich ließ die Person in ihrem Sessel sitzen und fühlte mich erfüllt von einer gewaltigen Neugierde. Ein Zimmer war kein Zimmer, und so dachte ich daran, auch die anderen Räume zu untersuchen.
Der Gang war weiterhin frei, ich drehte mich hinein und ging zwei Schritte weiter, um die folgende Tür zu probieren.
Auch sie war offen. Wer immer hier das Sagen hatte, er wusste genau, was er tat.
Auch in diesem Zimmer war es hell. Nur gab eine Nachttischleuchte das Licht ab, und es fiel auf eine Frau mit roten Haaren, die im Bett auf dem Rücken lag und sich nicht bewegte. Bekleidet war sie mit einem schlichten schwarzen Kleid, dessen Saum an den Oberschenkeln endete. Die Arme hatte sie angewinkelt und halb erhoben.
Ich ging zu ihr, um mir das Gesicht anzuschauen. Auf den ersten Blick wirkte es entspannt, doch als ich mir die Augen genauer anschaute, da sah ich wieder die kleinen Pupillen, und mir war klar, dass auch diese junge Frau unter Drogen stand.
Wo war ich hineingeraten?
In eine Drogenhölle?
Ja und nein. Mir kamen die beiden Frauen wie vorbereitet vor, und das konnte mir nicht gefallen. Dieses Haus lag einsam. Es fiel nicht auf, wenn jemand hierher gebracht wurde. Ich war zudem darüber informiert, dass es auch einsam liegende Bordelle gab. Das hätte hier gepasst, und doch konnte ich mich nicht mit dem Gedanken anfreunden. In diesen Bordellen waren die Mädchen und Frauen aktiv und lagen nicht unter Drogen in ihren Zimmern, denn sie mussten ja Geld verdienen.
Ich dachte an Elisa. Der Gedanke, dass auch sie so behandelt worden war, lag auf der Hand. Ich wünschte es ihr nicht, musste aber damit rechnen.
Und dann gab es noch Glenda Perkins. Sie hatte das Haus vor mir betreten, ohne zu wissen,
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