173 - Der Dämonen-Henker
Ghouls sie sich geholt haben, Selby!« rief der Dämon triumphierend. »Ja, sie befinden sich in meiner Gewalt.«
Ich hatte befürchtet, daß er das sagen würde.
»Du kannst entscheiden, ob sie am Leben bleiben dürfen oder sterben müssen, Selby!« sagte Oggral gefühllos. »Wir werden tauschen: Ich kriege von dir Chrysa und Kolumban, und du bekommst von mir Eve und Mel Bellamy. Ich weiß überhaupt nicht, warum ich dir dieses Angebot mache. Ich könnte mit meinen beiden Ghouls ebensogut dein Haus stürmen, dich töten und mir holen, was ich will.«
»Du weißt, daß du einen solchen Angriff nicht überleben würdest«, entgegnete ich mit fester Stimme.
Oggral hielt mich entweder für einen rettungslosen Phantasten oder für einen Wahnsinnigen. Er lachte und nannte mich einen Narren.
Dann wurde er schlagartig ernst. »Du hast eine halbe Stunde Zeit, dich zu entscheiden, Selby. Wir befinden uns in George Hackmans Haus. Du weißt, wo das ist. Hackman ist übrigens tot, nur damit du erkennst, wie ernst ich zu nehmen bin. In einer halben Stunde sind entweder Chrysa und Kolumban bei mir, oder Eve Bellamy und ihr Sohn verlieren den Kopf.«
Auch ich kannte Hackman. Wir hatten selten miteinander gesprochen, aber er war mir bekannt, und ich wußte, wo sein Haus war, in das sich Oggral mit zwei Ghouls eingenistet hatte.
»Eine halbe Stunde, Selby!« erinnerte mich der Dämon. »Diese Frist wird keinesfalls verlängert. Du solltest dir deine Entscheidung reiflich überlegen!«
Es klickte in der Leitung. Oggral hatte aufgelegt.
***
Eve Bellamy war wieder bei Bewußtsein. Mel saß neben ihr auf einem kleinen Sofa im Living-room. Sie waren allein – allein mit dem Toten, zu dem sie nicht hinschauten. Mels Arme umschlossen seine Mutter. Er versuchte ihr Hoffnung zu geben und Mut zu machen.
»Sie werden uns nichts tun, Mom, ganz bestimmt nicht. Oggral hat mit Mr. Selby telefoniert. Er ist nicht an uns interessiert, sondern an Chrysa und Kolumban. Sobald er die beiden hat, dürfen wir gehen.«
»Ja«, entgegnete Eve Bellamy tonlos, »dann sind wir vielleicht frei – und Chrysa und Kolumban müssen sterben. Darauf kann ich mich nicht freuen; das ist teuflisch, Mel. Wenn ich Mr. Selby wäre, würde ich mit dem Tausch nicht einverstanden sein. Er gewinnt damit doch nichts.«
»Er rettet unser Leben.«
»Und opfert das von Chrysa und Kolumban«, machte die Frau ihrem Sohn verständlich.
»Auf jeden Fall weiß Mr. Selby nun, wo wir uns befinden«, sagte der Junge, der ohne Hoffnung nicht leben konnte.
Doch seine Mutter sah es nüchterner. »Was nützt uns das?«
»Er kann die Polizei einschalten.«
»Damit würde er nur alles für uns schlimmer machen«, behauptete Eve Bellamy. »Oggral ist unbeherrscht und jähzornig. Wenn dort draußen Polizei auffährt, dreht er durch, und wir hätten es als erste zu büßen.«
Mel dachte an seinen Vater, der zu Hause auf sie wartete. Bald würde er nervös werden, weil sie nicht heimkamen. Der Junge zwang sich dazu, in George Hackmans Richtung zu sehen. Verbissen schaute er darüber hinweg.
Der Vorhang bewegte sich sanft hin und her, Glasscherben lagen auf dem Boden. Sie hatten die Scheibe der Verandatür eingeschlagen, um ins Haus zu kommen.
Auf diesem Weg ließ sich das Haus auch verlassen !
»Mom«, sagte der Junge gepreßt. Er drückte sie innig an sich.
»Wie stark bist du, Mom? Stark genug, um zu fliehen? Wir könnten durch die Verandatür abhauen. Allerdings müßten wir… an diesem Tisch vorbei. Glaubst du, daß du das schaffst?«
Eve Bellamy preßte die Lippen fest zusammen und sah ihren Sohn verzweifelt an. Sie schüttelte traurig den Kopf. »Das würde über meine Kräfte gehen, Mel.«
»Kannst du dich nicht zusammennehmen?« fragte Mel flehend und eindringlich. »Denk an mich, an Dad, der zu Hause auf uns wartet. Du mußt dich überwinden. Es ist ja nur für wenige Augenblicke. Sobald wir draußen sind, wirst du dich besser fühlen, ganz bestimmt.«
Er ließ sie los. Ein zitternder Seufzer entrang sich ihrer Kehle, und als sie endlich nickte, fiel Mel ein Stein vom Herzen, denn ohne sie hätte er Hackmans Haus niemals verlassen.
»Okay«, flüsterte die Frau. »Versuchen wir es.«
Der Junge wischte sich mit dem Ärmel nervös über die Stirn.
»Gib mir deine Hand, Mom.«
Ihre Hand glitt in seine. Er drückte fest zu, als wollte er sie nie mehr loslassen.
»Ich zähle bis drei, dann springen wir auf und rennen los, und wir bleiben nicht mehr stehen,
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