173 - Die Rache des Hexers
Stämmen, legten ihre Schatten über eine verwitterte, uralte Steintreppe. Einige der knorrigen Äste, die wie Teile eines Gerippes aussahen, waren fast schneeweiß, und lange Spuren von Vogelkot zogen sich an ihnen herab.
„Es ist vielleicht nicht der älteste Zweig der Najera-Dämonensippe", sagte Dorian finster, „aber offensichtlich ein armer."
„Sie leben zurückgezogen", erläuterte Coco. „Aber ich traue ihnen nicht. Bereit?"
„Natürlich", erwiderte der Dämonenkiller.
Sie waren am Ende einer bizarren, aber für sie wenig ungewöhnlichen Reise hier angelangt.
Hier, das war ein halbwegs abgelegenes Tal in Guatemala, in einem uralten Siedlungsgebiet, das an manchen Stellen versteppt und unfruchtbar dalag… wie eine Wüste auf einem fremden Planeten. Die Sippe hauste in den Hallen und Kammern eines ausgehöhlten Felsens, der als zerklüftete, von bewachsenen Adern durchzogene Platte das kleine Tal abschloß. Rechts und links der Steintreppe, auf der schon die Anbeter archaischer Götter hinauf und hinunter gestiegen sein mochten, bedeckte Unrat den Boden. Bizarr gewachsene, stinkende Pflanzen bildeten einen niedrigen und undurchdringlichen Dschungel, der sich bis zu den schwarzen Öffnungen der unteren Höhlen erstreckte.
War Ubaldo in den Höhlen? Wußte er von ihrem Kommen? überlegte Coco Zamis. Sie gingen langsam die ausgetretenen, schmutzigen Stufen hinauf. Für die Begegnung mit der Dämonensippe hatten sie sich ausgerüstet.
In den Zweigen lärmten unsichtbare Vögel. Papageien krächzten; ab und zu stieß einer von ihnen abscheuliche Flüche aus. Unruhig, aber voller Entschlossenheit, stiegen Dorian und Coco weiter. In den Zweigen knackte und raschelte es. Kleine, knochige Gestalten, rasch wie Äffchen und mit langen Schwänzen hangelten sich von Ast zu Ast und starrten die Näherkommenden aus gelben Augen an.
„Ich habe nichts Gemütliches erwartet", brummte Dorian und bohrte seine Blicke in die Hohlräume rundum, „aber sonderlich reinlich scheinen deine Freunde nicht zu sein."
„Sie sind auch nicht besonders appetitlich", erklärte sie.
Als sie die nächsten Steinplatten betraten, tauchten sie in den Schatten der Felswand und der Bäume ein. Es wurde empfindlich kalt, und es roch noch abscheulicher. In den obersten Höhleneingängen tauchten ganz kurz einzelne Gesichter auf und zogen sich augenblicklich wieder zurück - so schnell, daß keiner erkennen konnte, wie die Dämonen im hellen Licht aussahen.
Je näher Coco und Dorian dem Eingang kamen, desto mehr schienen sich die mumifiziert wirkenden Äffchen und alles andere Getier von ihnen zurückzuziehen.
Die Stufen machten eine scharfe Wendung und führten direkt zwischen zwei behauene Felskeile hinein. Die Steintrümmer waren grob modelliert und zeigten, wie stilistisch den rätselhaften MayaGestalten angenähert, drohende Fratzen mit hungrig aufgerissenen Mündern. Schlangen und Raubtierschädel waren deutlich zu erkennen, obwohl einzelne Teile verwittert, andere von der Zeit geschwärzt und wieder andere von zahllosen Berührungen glattpoliert waren. Weit im Innern der Höhlung brannte ein kleines Feuer.
„Sie kommen!" kreischte eine dünne Stimme aus dem Dunkel.
Dorian und Coco warteten einige Sekunden, bis sich ihre Augen an den Helligkeitsunterschied gewöhnt hatten. Dann gingen sie weiter; es war, als überschritten sie eine magische Grenze. Plötzlich füllte sich die überraschend große Höhle mit rennenden, flatternden und umherhastenden Gestalten. Große Augen glühten, zwinkerten und starrten die Eindringlinge an.
„Ich will Ubaldo Najera sprechen, Ubaldo, den man seinerzeit den Schönen nannte", sagte Coco und registrierte zufrieden, daß ihr schwerer silberner Schmuck im spärlichen Licht des rußenden Feuers funkelte.
„Er kommt. Er ist schon da!"
Die Angehörigen dieser Sippe lebten wirklich nicht im Prunk. Je länger der Dämonenkiller wartete, desto deutlicher sah er zerfetzte Lumpen, fadenscheinige Umhänge und verfilztes Haar.
„Wo ist er?"
Der Dämonenkiller drehte sich langsam im Kreis. Den Kommandostab hielt er ausgestreckt von sich. Die Krallen und Klauen der Dämonen reckten sich gierig vor und zuckten zurück.
„Er kommt!"
Die Mitglieder der Sippe schienen arm zu sein, hungrig und reichlich verwahrlost. Nur die Farbe der zerknitterten Haut und die langen, tiefschwarzen Haare ließen erkennen, daß sie zur Ureinwohnerschaft zählten. Auch die dunklen, tiefliegenden Augen deuteten darauf
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