173 - Die Rache des Hexers
hin, die immer wieder aufzuglühen schienen.
Einige Fackeln wurden entzündet. Ein dichter Ring aus unruhigen und gierigen Sippenangehörigen hatte sich um Coco und Dorian gebildet. Aus dem Hintergrund der Höhle näherten sich weitere Lichter. Erst jetzt war zu erkennen, daß riesige Stalagmiten die Höhlendecke stützten und sich in der rußigen Schwärze verloren.
„Da ist er!" wisperten die Dämonen, die immer größere Ähnlichkeiten mit den Gestalten der alten Maya-Bilder bekamen. Ubaldo kam herbei, umgeben von seiner Leibwache. Jetzt loderten mindestens zwanzig Fackeln und beleuchteten die ausgemergelten Gesichter.
„Ich hoffe, du kennst mich noch!" wandte sich Coco mit harter Stimme an den Dämon.
Das Oberhaupt der Sippe war fett geworden - und alt. Noch immer war er hochgewachsen, aber sein massiger Körper krümmte sich in den Schultern nach vorn. Sein Gesicht, das erstaunlich europäisch gewesen war, war schlaff und zeigte Spuren der Verwüstung.
Ubaldo stieß ein krächzendes Gelächter aus.
„Ich erkenne dich wieder, schönste Coco", sagte er. „Was führt dich in mein neues Paradies?"
„Ich will deine Hilfe!" sagte sie. Wachsam beobachtete Dorian seine schauerliche Umgebung. An den Gestank hatte er sich mittlerweile halbwegs gewöhnt.
„Hilfe? Von mir? Von meiner armen Sippe etwa?" kreischte er. Es schien für Ubaldo ein köstlicher Spaß zu sein. „Wir sind nicht gerade mächtig, mußt du wissen, Teuerste!"
Er schlug einen ganz anderen Tonfall an und murmelte: „Noch vor kurzer Zeit waren wir mächtig und wohnten an ganz anderer Stelle. Aber das weißt du so gut wie ich. Jetzt warten wir auf bessere Zeiten. Wie lange noch?"
Sein mächtiger Körper, der einst von Muskeln gestarrt hatte, seine, glatte, gebräunte Haut - jetzt war er eine grausige Karikatur seiner selbst. Seine Stimme war weinerlich geworden.
„Frage deine Herren", empfahl ihm Coco. „Mein Sohn und sein Freund wurden von einem riesigen Kondor mit einem Knochenschädel entführt."
„Husiniamui!" wimmerte Ubaldo auf.
Dorian trat einen Schritt nach vorn.
„Wer oder was ist Husiniamui?" knurrte er. Ubaldo wich zurück. Seine dämonische Schar murmelte und fauchte.
„Der Kondorgott."
„Wo haust er?"
„Bei Tuxtla", geiferte Ubaldo. „Dort hat sich Munante breitgemacht. Jean de Munante. Er ist der Grund, warum wir hier hausen - arm und halb verhungert."
„Jean de Munante", fragte Coco Zamis scharf, „hat dich und deine Lieben aus Tuxtla vertrieben?"
„Ja"
„Er ist, wenn er meinen Jungen entführt hat, mein Gegner. Also helfe ich dir gegen ihn. Du weißt, daß ich auch von dir etwas will. Hilf uns, und wir helfen euch."
Alles in allem waren diese Dämonen kaum schreckenerregend. Ihr Aussehen und ihre Stimmung waren weitaus mehr von Niedergeschlagenheit und Mutlosigkeit geprägt als von Angriffslust und Gier.
„Wir hassen ihn, diesen falschen, arroganten Edelmann!" ließ sich Ubaldo vernehmen. „Wir werden euch helfen."
„Sage uns etwas über diesen Munante!" forderte Coco ihn mit schneidender Schärfe auf.
„Niemand weiß, wie alt er ist, und woher er kommt", berichtete Ubaldo stockend. „Viele sagen, er kommt aus Venezuela und Guyana. Ich habe gehört, er ist ein französischer Dämonenbastard. Schon wenn du ihn siehst, Coco, weißt du, daß er nichts taugt. Uns zu vertreiben! Die Macht an sich zu reißen…“
„Und er beherrscht die Gegend um das Dorf Tuxtla?" fragte der Dämonenkiller und wehrte immer wieder die Dämonen mit dem Kommandostab ab.
„Nicht nur das Dorf und alle Einwohner. Er treibt sich auch in der alten Pyramide herum. Dieser parfümierte Eindringling!"
„Aus Venezuela also", knurrte der Dämonenkiller. „Wie kommen wir nach Tuxtla? So schnell wie möglich?"
„Ihr seid auf dem alten Lamapfad gekommen, nicht wahr? Von der Straße aus dem Süden. Dann müßt ihr… "
Ubaldo Najera schilderte ihnen eine Strecke von mehr als hundert Kilometern, die sie zwischen dem Einödtal und den Feldern um das Dorf Tuxtla zurücklegen mußten.
„Auf welche Weise kommen wir dorthin? Gibt es irgendwelche Verkehrsmittel?"
„Ein alter Autobus fährt auf der Straße. In einer Stunde - ungefähr", lautete die Auskunft.
Dorian nickte. Er machte sich über die Schwierigkeiten des Transports keinerlei Illusionen mehr.
Sie waren nicht im verkehrsmäßig perfekt erschlossenen Mitteleuropa. In dieser Abgeschiedenheit gab es auch keine Leihwagen.
Coco und Dorian erfuhren, daß sich Jean de
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