1734 - Hexenhand
es erfasst. Es hat lange gedauert, doch ich habe nie aufgegeben. Der Teufel hat für meine Existenz gesorgt, ich konnte der Entwicklung der Welt und deren Bewohner zuschauen, und ich habe mich perfekt angepasst und so lange gewartet, bis so etwas wie ein Startschuss gefallen war.«
»Der die Jagd auf mich eröffnete?«
»Genau.«
Ich fragte weiter. »Und du hast auch nicht aufgegeben?«
»Nein, wie du gemerkt hast. Und ich werde nicht aufgeben, das verspreche ich dir.«
Ich hob mein Kreuz an, damit sie es sehen konnte. »Trotz dieses Talismans hier?«
»Genau.« Ihre Augen leuchteten plötzlich, und ihr Blick wurde scharf. Sie zuckte nicht zurück, was mich schon wunderte. Anscheinend schien ihr das Kreuz nicht eine so große Sorge zu bereiten. Eine Frage lag mir auf den Lippen, die ich auch sofort stellte.
»Kennst du es?«
Da verzog sich ihr Gesicht und nahm einen hasserfüllten Ausdruck an. »Ja, ich kenne es. Ich kenne es sehr gut. Du zeigst mir da nichts Neues.«
Nicht nur ich war durch die Antwort irritiert worden, auch Glenda Perkins und Suko schauten leicht verwundert. Sie sahen aus, als wollten sie einen Kommentar abgeben, hielten sich aber zurück, denn das Kreuz war einzig und allein meine Angelegenheit.
Ich nickte ihr zu und fragte zugleich: »Du kennst es wirklich?«
»Ja.«
Jetzt musste ich nachdenken und formulierte meine Frage so. »Du hast es ja hier gesehen und...«
»Nicht nur hier.«
Drei Worte nur, aber die überraschten mich. Ich schüttelte den Kopf.
»Hast du Probleme damit?«
»Ein wenig schon«, gab ich zu. »Ich kann mir schlecht vorstellen, dass du es kennst.«
Ihr Kopf ruckte etwas vor. »Wie lange habe ich schon gelebt?«, zischelte sie mich an.
»Das weiß ich nicht genau.«
»Hast du denn nicht zugehört?« Sie knurrte die Worte fast. »Ich habe doch von einem Mann gesprochen, auf den ich setzte. Der mir helfen wollte, der sich aber nicht hat blicken lassen, als man mich vernichtete. Ich habe nicht nur die Seiten gewechselt, ich habe diesen Mann mit dem Kreuz auch verflucht. Ich wollte ihn jagen, und der Teufel hat mir versprochen, auf meiner Seite zu stehen. Er hat sein Versprechen gehalten, auch wenn Jahrhunderte vergangen sind...«
Ich hörte nicht mehr zu. Ich musste erst mal einen Tiefschlag verdauen. Mir schwindelte nicht, und doch kam ich mir so ähnlich vor.
Den Mann, den Sandrine so hasste, kannte ich. Sehr gut sogar. Er hatte das Kreuz vor mir besessen, und ich war praktisch seine Wiedergeburt.
Der Mann hieß Hector de Valois!
***
Ich wusste jetzt Bescheid, doch ich war so geschockt, dass ich nichts sagen konnte. Ich saß auf dem Stuhl, saugte durch die Nase die Luft ein und hatte das Gefühl, nicht mehr zu sitzen, sondern zu schweben.
Sandrine richtete erneut ihren Blick auf mich. Diesmal waren ihre Augen schwarz geworden. Die Lippen hatte sie zu einem hässlichen Grinsen verzogen. Man konnte den Ausdruck ihres Gesichts als bösartig bezeichnen, aber auch recht triumphierend.
Ich interessierte mich nicht mehr für sie, sondern dachte über den Kreuzträger Hector de Valois nach, der ich einmal gewesen war. Wir waren uns auch schon mehrmals begegnet, doch das war eine große Ausnahme gewesen, und jetzt erlebte ich eine solche Begegnung auf dem indirekten Weg erneut.
Sandrine ließ mich nicht aus dem Blick. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, als sie fragte: »Du weißt Bescheid, nicht wahr? Das kann ich dir ansehen. Du kennst denjenigen, der mir versprochen hat, mir beizustehen, wenn ich in Gefahr gerate. Er hat schon gewusst, dass man in mir die Hexe gesehen hat, obwohl ich keine war. Hector hat mir geglaubt, aber er hat mich im Stich gelassen, als die Flammen auf mich warteten, und das kann ich ihm nicht verzeihen. Ich habe einen anderen und einen besseren Helfer gefunden, der sein Versprechen gehalten hat, denn jetzt sitzt jemand vor mir, der Hector de Valois gut kennen muss.« Sie legte den Kopf zurück und lachte.
In diesen letzten Minuten hatte sie die Regie übernommen. Ich warf einen Blick auf Glenda und Suko, die beide auf ihren Plätzen saßen und wie eingefroren wirkten. Auch sie hatte die Eröffnung überrascht, obwohl sie nichts mit einem Hector de Valois zu tun hatten, denn das war einzig und allein ich.
»Nichts ist vergessen«, flüsterte sie. »Ich bin an meinem Ziel angelangt...«
»Kann sein.«
»Dann gibst du es zu?«
»Ja, warum nicht?«
Sie kicherte wieder. »Es ist wunderbar, ich freue mich, ich habe Glück gehabt.
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