1737 - Das Blut der Zauberin
gehen.
Plötzlich zuckte Bill zusammen.
»Was ist los?«
»He«, flüsterte er, »da ist sie!«
»Justine?«
»Klar.«
»Und wo?«
Bill wollte sichergehen und zog Sheila in Deckung. Beide verschwanden hinter einer Gedenkstätte. Es war ein hoher Felsstein. Vorn ausgehöhlt, sodass Platz für ein Kreuz und auch eine kleine Stellfläche geschaffen worden war. Auf ihr stand eine Vase mit frischen Sommerblumen.
Zu sagen brauchte der Reporter nichts mehr. Sheila sah jetzt mit eigenen Augen, was er gemeint hatte. Nicht mal sehr weit von ihnen entfernt standen Häuser am Hang. Bill hatte auf das Haus an der linken äußeren Seite gewiesen.
Justine war da!
Sie hielt sich vor dem Eingang auf. Ihre blonden Haare waren deutlich zu erkennen, und sie hatte sich so gedreht, dass sie in die Richtung der beiden Conollys schaute.
Jetzt waren sie froh, in einer Deckung zu stehen. Beide regten sich nicht, doch Bill hörte das schwere Atmen seiner Frau. Jetzt wusste auch sie, dass sich die Cavallo hier herumtrieb. In der Gondel hatte sie die Unperson nicht richtig zu Gesicht bekommen.
»Sieht so aus, als hätte sie das Haus gemietet!«, flüsterte der Reporter.
»Kann sein.«
Noch mal blickte die Blutsaugerin in die Runde, als hätte sie etwas gespürt. Dann wandte sie sich der Tür zu. Die Bewegung ihrer Hand wirkte so, als wollte sie klingeln. Das hatte sie wahrscheinlich auch getan, denn die Tür wurde geöffnet.
»Jetzt bin ich mal gespannt«, flüsterte Bill.
Die Tür wurde geöffnet. Wer das allerdings tat, sahen die beiden heimlichen Beobachter nicht. Da war ihr Blickwinkel einfach nicht gut genug.
Jedenfalls ging die Cavallo ins Haus, und die Tür wurde wieder zugezogen.
Sheila und Bill schauten sich an. Der Reporter nickte. »Sie scheint hier schon heimisch geworden zu sein.«
»Jetzt fragt sich nur, bei wem.«
»Vielleicht hat sie sich einen Partner gesucht.«
Sheila nickte, bevor sie sagte: »Oder sie verlässt sich auf ihre Halbvampire.«
»Das ist auch möglich.«
Beide verließen ihre Deckung. Wohl war ihnen dabei nicht, denn das Haus hatte Fenster. Wer dort stand, hatte einen guten Blick von oben her bis zur Straße hin.
»Was machen wir jetzt?«
Bill hob die Schultern. »Erst mal nichts. Zumindest wissen wir, wo wir sie finden können.«
»Aber wir wissen nicht, was sie vorhat.«
»Das stimmt leider.«
»Und die Nacht hat noch nicht begonnen. Sie hat alle Zeit der Welt.« Sheila nagte auf ihrer Unterlippe. »Wenn ich daran denke, dass hier im Ort zahlreiche Urlauber sind, die nichts von einer Vampirin wissen, wird mir ganz anders.«
»Dann gehst du davon aus, dass sie loszieht, um sich zu sättigen?«
»Ist das denn so falsch?«
»Leider nicht«, stöhnte Bill. »Aber ich denke trotzdem, es ist anders.«
»Und wie?«
»Ich glaube, dass ein bestimmter Grund oder Plan die Cavallo hergeführt hat. Sich Blut in der Nacht zu beschaffen, das kann sie auch in London. Warum aber hat sie sich hier verkrochen? Wie ich sie kenne, muss es einen Grund haben. Außerdem würde es mich nicht wundern, wenn sie noch einige ihrer Halbvampire mitgebracht hat.«
»Die finden wir jetzt doch nicht.« Sheila räusperte sich. »Ich denke, wir sollten zurück ins Hotel gehen und essen sowie einen Drink nehmen. Morgen müssen wir früh raus, um John abzuholen.«
Bill war nicht dagegen, fragte sich allerdings, ob er wirklich würde schlafen können.
»Das warten wir mal ab.« Sheila hakte ihren Mann unter. »Ich denke, wir sollten jetzt gehen. Morgen ist auch noch ein Tag...«
***
Und es war bereits Morgen, als Bill das Doppelbett verließ und sich leise anzog. Er hatte nicht schlafen können, trotz der Drinks an der Hotelbar nach dem Essen. Die Cavallo wollte ihm nicht aus dem Kopf, sie war eine Vampirin, ein Geschöpf der Nacht, sie brauchte das Blut der Menschen, und Bill konnte sich vorstellen, dass sie jetzt unterwegs war.
Sheila war es so ergangen wie ihm. Auch sie hatte nicht einschlafen können, es wenig später aber doch geschafft, und jetzt hörte Bill ihren regelmäßigen Atem.
Bill verhielt sich weiterhin sehr leise. So schaffte er es, in seine Kleidung zu steigen, ohne dass Sheila wach wurde. Er hätte gern seine Pistole bei sich gehabt. Die aber befand sich in London. Wer nahm schon eine Schusswaffe mit in den Urlaub? Und dass er so verlaufen würde, damit hatte Bill nicht rechnen können.
Ein etwas schlechtes Gewissen quälte ihn schon, als er auf leisen Sohlen das Zimmer verließ. Im Flur
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