1737 - Das Blut der Zauberin
gewesen. So hatte er einiges in Erfahrung bringen können und glaubte jetzt voll und ganz daran, dass das Erscheinen der Cavallo kein Zufall gewesen war.
Er kehrte ins Hotel zurück, schlich in die kleine Suite und sah, dass Sheila nicht mehr im Bett lag. Sie stand auf dem großen Balkon, den sie jetzt verließ, als Bill eintrat.
»Ich habe dich unten schon gesehen und hätte mir denken können, dass du einen Ausflug machst.«
»Sorry, aber das musste sein.«
»Wieso?«
»Weil ich jetzt einiges weiß, und wenn ich dir das erzähle, wirst du Augen machen...«
***
Der Professor hatte sein Fundstück auf die Couch gebettet. Wenn er sie so anschaute, dachte er wieder daran, wie er sie gefunden hatte. In einem Sarg hatte sie gelegen, und jetzt war ihre Haltung kaum eine andere. Nur hielt sie die Augen offen, ohne dass sie allerdings etwas sagte. Sie stellte keine Fragen und gab auf Fragen auch keine Antworten.
Ludwig Leitner saß in einem Sessel und tat nichts. Abgesehen davon, dass er die Frau beobachtete, und genau das tat auch Justine Cavallo. Sie stand schräg vor der Couch und blickte auf die starre Gestalt hinab.
»Du bist so voller Blut«, flüsterte sie ihr zu. »Das ist schon pervers. Und deshalb wirst du mir Blut abgeben. Das Blut der Zauberin. Ich weiß, was dahintersteckt. Ich habe dich gesucht und gefunden. Aber keine Sorge, ich will dich nicht blutleer trinken, obwohl mich das reizen würde. Ich will nur etwas von deinem kostbaren Saft haben. Der fehlt mir nämlich noch. Ich will ein Stück werden wie du, und dass es so geschieht, dafür wird dein Blut sorgen.«
Serena sagte wieder nichts. Sie setzte sich allerdings auf und schaute an ihrem Körper hinab, auf dessen Haut die Wunden so gut wie nicht mehr zu sehen waren.
Der Professor hatte zugehört. Er kam damit nicht zurecht und fragte mit leiser Stimme: »Willst du sie endgültig töten?«
Justine fuhr herum. »Nein. Ich schlachte nicht die Kuh, die ich melken will.«
»Was hast du dann mit ihr vor?«
Justine schüttelte den Kopf. »Es geht dich nichts an. Aber ich sage es dir trotzdem. Es geht mir um Macht. Macht kann man nie genug haben. Und in ihrem Blut stecken Informationen, die für mich wichtig sind. Nicht grundlos ist sie Zauberin genannt worden. Eine mächtige Zauberin, die früher mal verehrt worden ist. Man hat dann hier ein Grab gefunden, weil man dachte, dass sie tot wäre, aber da irrten die Leute. Serena war nicht tot. Sie schlief nur. Sie hat sich selbst in diesen Zustand versetzt, um sich für eine Weile von der Welt zu verabschieden.«
Der Professor hatte jedes Wort gehört. Er hatte sich bisher stets als Wissenschaftler gesehen. Ein Mensch, der nur Fakten anerkannte, die auch logisch erklärbar waren. In diesem Fall jedoch musste er passen. Das hier war zu hoch für ihn.
Er wollte Fragen stellen, doch ihm fielen nicht die richtigen ein, und so schaute er weiter zu, was die Blutsaugerin tat. Sie hatte hier das Kommando übernommen.
Aus der Tasche ihrer Lederjacke holte sie ein kleines Messer. Sie klappte es auf und lächelte dabei die Zauberin an. »Du hast alles gehört, was ich sagte?«
Serena nickte.
»Das ist gut. Dann bist du vorbereitet. Dann kann ich ja weitermachen.« Das Messer hielt sie weiterhin fest. Mit ihm zusammen beugte sie sich über die starr daliegende Frau und fixierte eine Stelle des Oberkörpers unter dem Hals.
Genau da setzte sie das Messer an.
Sie hätte die Haut durchtrennen können, um dem Blut freie Bahn zu geben, aber das wollte sie nicht.
Unter dem Kinn zog sie einen Querschnitt. Sehr tief drang die Klinge nicht ein, aber es reichte aus, um das Blut aus der Wunde quellen zu lassen, das sich rechts und links des Schnittes ausbreitete.
Genau das hatte sie gewollt. Ihr leises Stöhnen war zu hören, als sie den Kopf noch tiefer senkte, die Zunge hervorstreckte und dann die Lippen auf die Wunde drückte.
Justine musste nicht mal großartig saugen, die Flüssigkeit drang in ihren Mund. Sie gab ein Schmatzen von sich, das wie ein zufriedener Ton klang, denn das alte Blut der Zauberin war für sie eine Köstlichkeit. Sie schloss sogar die Augen, um es noch intensiver genießen zu können. Dabei drehten sich ihre Gedanken um die Zukunft. Dieses Blut würde ihr zahlreiche Möglichkeiten eröffnen. Sie würde noch stärker werden, und so sah sie sich bereits am Ziel ihrer Wünsche.
Sie hatte mächtige Gegner. Dazu zählte sie nicht nur den Geisterjäger und seine Freunde, auch die Schwarzblüter
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