1739 - Justines grausamer Urahn
kannst du auch.«
Ich wollte mit ihr nicht weiter sprechen. Dass wir uns hier in der kleinen Suite in relativer Sicherheit befanden, war uns klar. Es stellte sich nur die Frage, ob uns das auch weiter brachte. Ich für meinen Teil glaubte nicht daran. Zudem hatte ich etwas entdeckt, was mir keine Ruhe ließ. Ich wollte erfahren, was hinter dem Erscheinen der drei Personen steckte.
»Dann werde ich euch jetzt hier allein lassen und schaue mal nach«, erklärte ich. »Irgendwo müssen die drei Typen ja sein.«
»Gehst du davon aus, dass sie sich im Hotel aufhalten?«, fragte Sheila.
»Ja, wenn sie das sind, was ich annehme. Typen, die wir noch nicht kennen, die jedoch in Verbindung zu unserer besonderen Freundin hier stehen können.« Ich hatte bei den letzten Worten die Cavallo angeschaut, die nur grinste und weiterhin in ihrer schwachen Position hängen blieb.
Bill nickte mir zu. »Also gut, John, sieh dich um. Aber denk immer daran, dass du allein bist, und sie sind zu dritt.«
»Das weiß ich.« Ich konzentrierte mich auf Serena, die sich in den letzten Sekunden zurückgehalten hatte. Auch jetzt sagte sie nichts. Sie saß aufrecht auf ihrem Platz und hatte die Handflächen auf ihre Oberschenkel gelegt.
»Was denkst du?«, fragte ich sie.
Erst musste sie überlegen, dann antwortete sie mit leiser Stimme. »Die Gefahr wird größer. Wir sind umzingelt, das spüre ich genau. Das alte Böse...«
»Ich werde es stellen.«
»Ja, versuche es.«
Mehr wurde nicht gesprochen. Ich machte mich auf den Weg, und Bill wollte nicht mitgehen. Das wäre in London anders gewesen, hier aber besaß er keine Waffe. Da war es besser, wenn er sich mehr im Hintergrund hielt.
Ich verspürte schon ein leichtes Magendrücken, als ich die Tür öffnete und die kleine Suite verließ. Ich war sicher, dass etwas passieren würde und dass Justines Urahn im Hintergrund die Fäden zog, wie auch immer...
***
Vom Zimmer in den Flur.
Das war wohl in allen Hotels der Welt gleich. Ich fand mich in einem recht breiten Gang wieder, der zudem nicht in Dunkelheit getaucht war. Unter der Decke waren die Lampen in das Holz integriert und warfen ihr Licht auf einen hellgrünen Teppich, der die Flurmitte bedeckte.
Ich ging an den beiden Lifts vorbei und dann weiter, um die Treppe zu erreichen. In einem Halbbogen führte sie nach unten. Sie lief in der Lobby aus. Als nach der Hälfte der Treppe die Rezeption in mein Blickfeld geriet, da stellte ich fest, dass sie nicht besetzt war.
Auch im Restaurant war es ruhig. Die Mitarbeiter waren dabei, die Tische abzuräumen und sie wieder für das morgendliche Frühstück vorzubereiten.
Das alles gehörte zum normalen Hotelbetrieb, wie auch die leise Musik und die Stimmen aus der Bar. Dort saßen noch Gäste, um einen letzten Absacker zu trinken.
Aber nichts war so laut, als dass es den Schlaf der Menschen gestört hätte.
Ich bewegte mich auf die Rezeption zu. In Hotels wie diesem war sie eigentlich auch in der Nacht besetzt. Ich sah aber keinen Mitarbeiter. Dafür war der Computer nicht ausgeschaltet.
Aus Neugierde warf ich einen Blick über den Tresen. Auf dem Fußboden dahinter malte sich ein länglicher Schatten ab. Zumindest für mich war es ein Schatten, bis ich mich weiter vorbeugte und einen jungen Mann auf dem Boden liegen sah, der sich nicht rührte.
In diesem Augenblick wurde mir klar, dass der Horror schon begonnen hatte. Der Mitarbeiter hatte sich bestimmt nicht selbst niedergeschlagen.
Ich war der Erste, der ihn entdeckt hatte, und wollte wissen, was mit ihm passiert war. Hinter den Tresen zu gelangen war ein Kinderspiel. Ich kam von der Seite, schob einen Stuhl aus dem Weg und sah den jungen Mann genauer.
Eine scharfe Waffe hatte ihm den rechten Oberschenkel aufgeschlitzt. Die dunkle Hose war um die Wunde herum durchnässt, doch es rann kein Blut mehr hervor.
Der junge Mann war in eine tiefe Bewusstlosigkeit gefallen. Meiner Ansicht nach war er nicht lebensgefährlich verletzt worden. Man hatte ihn nur angestochen, so schlimm sich der Ausdruck auch anhörte. Angestochen aus einem bestimmten Grund, und auch der war mir bekannt.
Als ich daran dachte, wurde ich für einen Moment bleich. Es gab Personen, die gern Blut tranken und bei Menschen deshalb Wunden und Verletzungen hinterließen. Sie schluckten das aus ihnen quellende Blut. Wären sie fertig gewesen, dann hätten sie Vampirzähne erhalten. Doch so weit waren sie noch nicht gekommen. Man konnte sie nicht als Menschen und auch
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