1739 - Justines grausamer Urahn
unterwegs.«
»Sehr schön. Und wohin?«
»Sie sind hier im Hotel. Sie – sie – suchen jemanden.«
»Super. Ist es Justine Cavallo? Eure Anführerin?«
»Ja.«
»Wunderbar. Weiter so. Wer hat euch geschickt?«
»Nicht sie.«
»Das habe ich mir gedacht. Wer?«
»Eine andere Macht. Sie ist uralt. Sie will sie beschützen. Sie hat uns geschickt.«
»Hast du sie oder ihn gesehen?«
»Nur sein Gesicht.«
»Die Fratze, meinst du?«
»Ja.«
»Weiter. Und wo hast du sie gesehen?«
»Hier.«
»Im Hotel?«
»Nein, draußen.«
Was er sagte, entsprach der Wahrheit, davon ging ich aus. Aber ich konnte nicht behaupten, dass mir seine Aussage gefiel. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass diese uralte Macht in der Kirche bleiben würde. Da musste ich wohl umdenken. Sie hielt sich bereit, sie war hier.
»Wie viele seid ihr noch?«
»Drei!«
»Nicht mehr?«
»Nein!«
»Und sie anderen beiden sind dabei, Justine aus dem Zimmer zu holen, um sie wegzubringen.«
»Das sind wir ihr schuldig.«
»Gut.« Ich hatte bisher gekniet. Die Haltung veränderte ich und stand jetzt auf.
Der Halbvampir blieb noch am Boden liegen. Er starrte zu mir hoch, und er sah das Kreuz, dessen Anblick ihn paralysierte. Auch wenn er jetzt nichts tat, das würde in Zukunft nicht so bleiben. Er würde sich weiterhin vom Blut der Menschen am Leben erhalten, und das musste ich mit allen Mitteln verhindern.
Es wäre auch kein Problem gewesen, hätte ich mich in einer anderen Umgebung befunden. Das war leider nicht der Fall, denn meine Aktion war von mehreren Zeugen beobachtet worden, und jetzt, da für sie keine Gefahr mehr drohte, waren sie plötzlich da. Zudem erschien neben den Gästen noch ein grauhaariger Mann, der sich als Simon Berger vorstellte und mir erklärte, dass er der Besitzer des Hotels war und dann Rede und Antwort verlangte.
Ich nickte ihm zu und zwang mich zur Ruhe. »Hören Sie zu, Herr Berger, es geht hier um Vorgänge, die nicht so leicht zu erklären sind.«
»So? Hier in meinem Hotel?«
»Ja. Und jetzt möchte ich Sie unter vier Augen sprechen, wobei ich diesen Menschen dort am Boden mitnehmen muss.«
»Warum das?«
»Ich erkläre Ihnen alles.« Und dann zeigte ich ihm meinen Ausweis, den er studierte, während ich mich umschaute. Die Zeugen hatten sich in einem gehörigen Abstand aufgebaut. Der Halbvampir hockte jetzt am Boden. Er war angeschlagen, aber nicht außer Gefecht gesetzt. Es war seinen Augen anzusehen, dass er nach einem Ausweg suchte, denn er ließ die Blicke permanent schweifen.
Dann hörte jeder von uns den schrillen Frauenschrei. Er war aus der unmittelbaren Nähe der Rezeption aufgeklungen. Ich wusste, was er zu bedeuten hatte. Jemand hatte den Verletzten entdeckt.
Simon Berger fuhr herum. »Sie bleiben hier!« Dann rannte er los. Den Ausweis warf er mir in die fangbereiten Hände. Sekunden später rief jemand nach einem Arzt.
Ich wäre hingelaufen, aber ich musste den Halbvampir im Auge behalten.
Auch wäre ich gern zu den Conollys zurückgekehrt, was ich nicht riskieren konnte, denn das hätte in den Augen der anderen wie eine Flucht ausgesehen.
Also blieb ich stehen und bekam mit, dass der Hotelier telefonierte. Er war ein großer, stattlicher Mann mit grauen Haaren und einem wettergegerbten Gesicht. Vom Alter her hatte er die Mitte des Lebens erreicht. Er verlor die Ruhe nicht, kehrte zu mir zurück und nickte mir zu.
»Ein Krankenwagen ist unterwegs. Ich werde auch noch die Polizei anrufen und...«
»Bitte, Herr Berger, Sie wissen jetzt, wer ich bin. Ich möchte Sie bitten, die Polizei noch nicht zu alarmieren. Dass Ihr Mitarbeiter Hilfe benötigt, ist okay. Aber lassen Sie uns zuerst reden. Wie gesagt, unter vier Augen.«
Er zögerte noch.
Wir schauten uns dabei in die Augen, und ich wich seinem Blick nicht aus.
»Gut, ich vertraue Ihnen.«
»Danke.«
»Was ist mit dem Mann dort auf dem Boden?«
»Um den kümmere ich mich.«
»Gut, dann warten Sie bitte in der Bar. Die ist ab jetzt geschlossen.« Er wiederholte den Satz noch mal laut, damit ihn die Gäste auch alle hörten.
Ich kümmerte mich um den Halbvampir. Er saß jetzt und konnte sogar kichern. »So leicht ist es nicht mich fertigzumachen, verdammter Hundesohn.«
»Warten wir es ab.«
»Und ob.«
Ich behielt ihn im Blick, als ich erneut bei den Conollys anrief. Wieder meldete sich Bill.
»Ist alles in Ordnung bei euch?«
»Ja, du kannst hochkommen. Ich schaue hin und wieder in den Flur und habe bisher niemand
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