174 - Jennifers Verwandlung
wirst?«
»Unsinn«, winkte Jennifer ab. »Da sieht man, was der Unfall bei ihm bewirkt hat. Ich werde nicht von der Polizei gesucht, schließlich habe ich nichts verbrochen. Man wollte von mir lediglich eine Schilderung des Unfallherganges haben. Ich habe meine Aussage inzwischen zu Protokoll gegeben, und somit ist alles im Lot.«
»Es muß, nach Bobs Worten, ein ziemlich arger Unfall gewesen sein«, sagte Elizabeth.
»O ja, es hat ganz schön laut gekracht, aber wie du Siehst, hatte ich meinen Schutzengel dabei.«
»Hätte schlimm ausgehen können, was?«
»Allerdings«, antwortete Jennifer. »Ich hatte Glück. Was ist denn nun mit dem Scotch?«
»Oh, ja, natürlich«, erwiderte Elizabeth verlegen und wandte sich der Hausbar zu. Sie stellte fest, daß sich kaum noch Scotch für ein Glas in der Flasche befand. Schmunzelnd sagte sie: »Die langen kalten einsamen Abende… Da trinkt man oft ein Gläschen mehr, als man sollte, aber das heißt nicht, daß wir uns diesen winzigen Tropfen teilen müssen…« Jennifer hob abwehrend die Hände, wobei sie darauf achtete, daß die Finger geschlossen blieben. »Allein trinke ich nicht.«
»Brauchst du auch nicht. Im Keller stehen noch genug Flaschen. Auch sie habe ich geerbt.«
»Dein entfernter Verwandter hat an alles gedacht.«
Elizabeth lachte. »Wo immer er jetzt sein mag, mein Dank möge ihn erreichen. Ich bin gleich wieder zur Stelle. Mach es dir inzwischen bequem.« Auf dem Wohnzimmertisch lag eine große Schachtel Pralinen. Elizabeth zeigte darauf. »Wenn du etwas Süßes möchtest, bediene dich. Ich kann dir nicht sagen, wie glücklich du mich mit deinem Besuch machst. Fairerweise mache ich dich darauf aufmerksam, daß ich dich nicht so bald nach Hause gehen lasse, und sollte es sehr spät werden, wirst du hier übernachten.«
Jennifer tat so, als würde sie scherzen. »Ich gehe von hier überhaupt nicht mehr weg.«
Elizabeth lachte. »Das ist ein Wort.«
Sie begab sich in den Keller, und Jennifers Miene überzog sich mit Eiseskälte. Sie trat an das Bücherregal und holte das Messer hervor.
***
Freundschaft unter Dämonen gibt es nicht, aber manche schließen sich zu kleinen Gruppen zusammen, um entweder schlagkräftiger zu sein oder ihre Überlebenschancen zu erhöhen, denn das Leben in der Vielschichtigkeit der Hölle birgt viele Gefahren, denen man gemeinsam besser begegnen kann.
Adroon jedoch war ein Außenseiter, wurde von allen gemieden und mied sie ebenfalls.
Er war ein gefährlicher Räuber und Wegelagerer. Viele waren durch seine Hand schon gestorben. Das Töten lag ihm im schwarzen Blut.
Er war ein muskelstarrender Dämon mit dichtem struppigem schwarzem Haar, das in einen wild wuchernden Bart überging. Eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Löwen konnte man ihm nicht absprechen.
Nur mit einem zotteligen Lendenschurz bekleidet lag er seit Stunden auf der Lauer.
Bewaffnet war er mit einem Speer und einem schmucklosen Dolch. Vor ihm befand sich ein kreisrundes Loch im sandigen Boden - der Eingang eines Schlangennests.
Auf die doppelköpfige Teufelsschlange hatte er es abgesehen, denn ihr Fleisch schmeckte hervorragend, und wer es aß, auf den gingen wertvolle Kräfte über.
Die Schwierigkeit lag jedoch darin, die Schlange zu töten, denn sie war äußerst gefährlich, stark und voller List. Sie zu erlegen stellte auch für Adroon, der kaum einen Kampf scheute, ein hohes Risiko dar, das er aber eingehen wollte, weil es ihn reizte, diesen gefürchteten Feind zu besiegen.
Mit schier endloser Geduld wartete Adroon, reglos, ohne daß seine Aufmerksamkeit ermüdete, den Speer in unmittelbarer Reichweite. Er hatte die Riesenschlange vor zwei Tagen entdeckt.
Sie hatte ein wildschweinähnliches Tier angefallen und mühelos verschlungen. Die Schreie des Tiers hatten Adroon angelockt, und er hatte beobachtet, wie das mächtige Reptil seine Beute fraß.
Fressen und gefressen werden - das galt auch in der Hölle.
Im Augenblick hatte es den Anschein, als befände sich die Schlange nicht in ihrem Nest, aber sie war da, das wußte Adroon ganz genau, denn er hatte sie hineinkriechen sehen, und sie war bis jetzt nicht wieder herausgekommen.
Einen zweiten Ausgang gab es nicht, davon hatte sich Adroon überzeugt.
Sie schien nicht zu wissen, daß er auf sie wartete, sonst hätte sie vermutlich schon etwas gegen ihn unternommen.
Sie war nicht giftig. Bei ihrer enormen Stärke brauchte sie keine Giftzähne. Manchmal erdrückte sie ihre Beute, bevor sie
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