1743 - Die Templer-Gruft
Mensch ihm da vorschlug, das war so etwas wie eine Erpressung. Er hatte den Eindruck, dass dieser Mann eine Maske trug. Was er wirklich dachte, behielt er für sich. Er war ein Spieler, ein Hasardeur und sagte jetzt wohlwollend: »Bitte, Sie können die Aufnahme behalten. Ich habe noch einige Abzüge.«
»Das dachte ich mir.«
Graham beugte sich wieder vor. »Ach ja, und noch etwas, Godwin. Sie sind ein Templer. Ich habe nichts gegen diese Gruppe, ich sehe sie als neutral an, aber ich möchte Ihnen schon sagen, dass Sie die Augen weit aufhalten sollten.«
»Können Sie deutlicher werden?«
»Sagen wir mal so: Ich glaube, dass nur die wenigsten Menschen keine Feinde haben. Sie und Ihre Gruppe gehören leider nicht dazu.«
»Und weiter?«
»Man ist Ihnen auf der Spur, Godwin. Ihnen und Ihren Getreuen. Hüten Sie sich.«
Godwin fasste nach dem Foto und fragte: »Hängt es mit dieser Aufnahme zusammen?«
»Alles hängt doch irgendwie zusammen«, erwiderte Graham geheimnisvoll. Dann legte er einen Schein auf den Tisch. »Die Rechnung übernehme ich.«
Godwin wollte etwas sagen, doch im Augenblick fehlten ihm die Worte. Dafür schaute er zu, wie sich sein Gegenüber von der runden Sitzfläche des weiß gestrichenen Metallstuhls in die Höhe drückte. Das war die erste Bewegung des Abschieds. Die jedoch führte er nicht bis zu ihrem Ende durch, denn er zuckte plötzlich zusammen, wobei Godwin kurz zuvor ein dumpf klingendes Geräusch gehört hatte.
Graham bewegte sich weiter. Nur stand er nicht auf, sondern kippte nach vorn auf die Tischplatte.
Der Templer sah, dass er zwei Flaschen und die Gläser dabei abräumte, doch das nahm er nur nebenbei wahr. Etwas anderes interessierte ihn viel mehr.
Mit dem Oberkörper lag Graham auf dem Tisch. So war sein Rücken gut zu erkennen, und aus ihm ragte der Griff eines Messers hervor...
***
Es war kein Traum, es war Realität, das schoss dem Templer durch den Kopf. Er kam sich trotzdem vor wie in einer anderen Welt. Es gab nur ihn und einen Mann, der mühsam seinen Kopf anhob und dabei die Lippen bewegte, um Worte formen zu können.
Blut sickerte aus seinem Mundwinkel. Die Anstrengung zeichnete sein Gesicht, er gab sich einen Ruck, um das aussprechen zu können, was er wollte.
»Zu spät, Templer, zu spät. Sie sind da. Sie wissen so viel.« Jedes Wort bereitete ihm eine Qual.
Godwin fragte sofort: »Wer sind sie, Graham? Können Sie mir das sagen?«
Er wollte es, schaffte es aber nicht mehr, denn die Klinge steckte zu tief in seinem Körper. Ein letztes Öffnen des Mundes, ein schweres Stöhnen, dann war es vorbei. Der Körper erschlaffte und blieb auf der Tischplatte liegen.
Henri Graham war tot und hatte sein Wissen mit ins Jenseits genommen...
***
Der Templer wusste, dass der Killer noch in der Nähe sein konnte. Er hatte es geschafft, vor seiner Tat dicht an den Tisch heranzukommen, ohne gesehen zu werden.
Und jetzt?
Noch war den Menschen in der Umgebung nichts aufgefallen, weil andere Dinge interessanter waren. Diese Stadt war ein einziges Freilichtmuseum, und der Templer dachte daran, dass er die Gunst des Augenblicks nutzen musste.
Er wollte sich nicht verhaften und verhören lassen. Deshalb musste er so schnell wie möglich verschwinden, dabei aber keine unnötige Hast an den Tag legen, denn das wäre aufgefallen.
Und dann tat er etwas, was er eigentlich nicht hätte tun dürfen. Er zog die Klinge aus dem Körper, wischte das Blut ab und ließ das Messer verschwinden.
Wer jetzt zum Tisch hinschaute, der sah einen Mann, der nach vorn gefallen war, in dessen Rücken aber kein Messer steckte. Da konnte man schon von einem normalen Ableben sprechen, bis auf die blutige Wunde im Rücken.
Godwin wich zurück. Ein schneller Blick. Der Platz war zwar nicht überfüllt, doch es gab genügend Menschen in seiner Nähe. Auch Gruppen, die eine Stadtführung gebucht hatten und stets dicht beisammen blieben.
Der Templer suchte sich eine der Gruppen aus. Er huschte über das holprige Pflaster, erreichte die Gruppe, in der deutsch gesprochen wurde, und war froh, dass man den Toten noch nicht entdeckt hatte.
Ob sich Zeugen, wenn sie später von der Polizei verhört wurden, an ihn erinnern konnten, daran glaubte er nicht wirklich. Seine Chancen standen also gut.
Wenn da nicht der Killer gewesen wäre!
Wo war er? Wo hielt er sich auf?
Verstecke gab es genug. Viele Gassen führten von diesem Platz in alle Richtungen ab. Es gab Geschäfte, Stände mit Waren davor,
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