1744 - Der lebende Alptraum
klar, dass er seine eigenen Pläne durchziehen wollte, aber dagegen hatte ich etwas.
»Ja, du kannst gehen, aber nicht allein.«
Er ging einen Schritt zurück. »Wie?«
»Ja, wir gegen gemeinsam hin. Das ist doch eine große Show, und ich liebe Shows.«
Das war genau das, was er nicht brauchte. Ich sah, wie sich sein Gesicht verzerrte, dann stieß er einen Schrei aus, aus dem ich seinen tiefen Frust und auch seine Unsicherheit heraushörte. Er versuchte es ein letztes Mal und stürzte mir entgegen.
Ich schlug nicht noch mal zu. Er war kein Fighter. Ich fing ihn locker ab und wuchtete ihn herum. Dabei rammte ich ihn gegen die Wand und drückte ein Knie in seinen Rücken.
Schnell hatte ich die Handfessel aus Kunststoff von meinem Gürtel gelöst. Sie um seine Handgelenke zu klemmen war kein Problem für mich, und bevor Archie sich versah, hatte ich ihn schon wieder umgedreht.
»Alles klar?«, fragte ich ihn.
Er sah aus, als wollte er mir ins Gesicht spucken.
Ich hob einen Arm. »Untersteh dich, mein Freund. Bei bestimmten Dingen bin ich sehr empfindlich. Es bleibt dabei, dass wir das kleine Event gemeinsam besuchen.«
Jetzt lachte er und zischte mich an. »Dann fährst du zur Hölle. Denn keiner ist stärker als Azur. Er kann die Welt regieren.«
»Gut, dann soll er es versuchen. Aber dabei rede ich noch ein kleines Wort mit...«
***
Ich schaffte Archie Golding noch nicht zu meinem Rover. Bis Mitternacht war noch Zeit, und ich hatte mir vorgenommen, noch jemanden mitzunehmen. Und zwar Suko, den ich schon mal vorwarnte und ihm erklärte, dass ich später noch mal anrufen würde.
»Kein Problem.«
Danach machte ich einen Besuch bei den Browns. Wie ich sie einschätzte, saßen sie bestimmt schon auf heißen Kohlen, um zu erfahren, was sich alles getan hatte. Die Musik war ja verstummt, jetzt war wieder Ruhe im Haus eingetreten.
Auf dem Weg nach unten wollte ich von Archie wissen, ob sich noch keiner der anderen Mieter über den Gitarrensound beschwert hatte. Er sagte, dass dem nicht so war. Ich nahm es mal hin und stand wenig später vor der Wohnungstür der Browns.
Ich klingelte und hörte erst mal nichts. Bis eine Frauenstimme vorsichtig fragte: »Wer ist da?«
»Ich, John Sinclair.«
Ein leiser Schrei war zu hören, dann wurde die Tür hastig geöffnet, und ich schaute in Monica Browns überraschtes Gesicht. Sie wusste nicht, wen sie zuerst ansehen sollte, mich oder meinen Begleiter.
»Sie kennen den jungen Mann?«
»Ja, das ist Archie Golding. Nicht eben ein Freund meines Mannes. Aber kommen Sie doch rein.«
Ich schob Archie über die Schwelle. Jetzt sah Monica auch, dass der Junge Handfesseln trug. Sie ging jedoch nicht darauf ein, und wir betraten das Wohnzimmer, wo Elton Brown in einem Sessel hockte und uns erstaunt anschaute.
Den beiden war nichts passiert. Ich wollte mich auch nicht lange bei ihnen aufhalten, sondern nur sagen, dass dieser Azur das Haus verlassen hatte.
Elton fragte: »Haben Sie ihn denn auch besiegen können, Mister Sinclair?«
»Das ist mir leider noch nicht gelungen.«
»Und er wird es auch nicht können!«, meldete sich Archie, der an der Wand lehnte und wild den Kopf schüttelte. »Ihn kann keiner besiegen, das sage ich euch.«
»Ja, und fast hätte er es auch bei uns geschafft.«
Ich sah Monica Brown an. »Wie?«
Sie machte jetzt den Eindruck, als würde sie unter der Erinnerung leiden. »Es ist leider so. Wir können von Glück sagen, dass wir noch leben.«
»Meine Frau hat uns gerettet, denn er war hier. Er war kein Albtraum mehr, sondern das lebendige Grauen.«
»Was ist denn passiert?«
Ich erfuhr es, wobei sich das Ehepaar mit dem Bericht ablöste. Dass Monica ein Vaterunser gesprochen hatte, war in diesem Fall eine tolle Idee gewesen. Wenn dieser böse Engel etwas hasste, dann war es alles Christliche, und da hatte sie instinktiv richtig reagiert.
»Er hätte mich mit großem Vergnügen mit seiner Gitarre erschlagen«, fügte Elton Brown noch hinzu.
Ich wandte mich an Archie. »Hast du es gehört?«
»Bin ja nicht taub.«
»Nein, das bist du nicht. Aber dir macht es auch nichts aus, dich auf die Seite eines menschenverachtenden Mörders zu stellen. Sehe ich das richtig?«
»Jeder geht seinen Weg.«
»Das stimmt. Es fragt sich nur, welches der Richtige ist. Und bei deinem habe ich Zweifel.«
Er lachte nur. Sein Optimismus war ungebrochen. Er setzte voll und ganz auf die Karte des bösen Engels. Ich wollte dafür sorgen, dass sie nicht
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