1747 - So schmeckt der Tod
liegt in einem Krankenhaus. Sie haben ihn nach Brentwood gebracht, gefunden wurde er nördlich davon.«
Ich murmelte den Namen vor mich hin. Auch Glenda hatte ihn gehört.
»Ich weiß, wo Brentwood liegt«, sagte sie. »Östlich von London und nicht weit von der M2 entfernt, die um die Stadt ihren Kreis zieht. Wenn ihr über die A12 fahrt, seid ihr recht schnell dort.«
»Danke für die Auskunft.«
»Ich bin ja gar nicht so.«
Sir James nickte zufrieden. »Ich habe bereits in der Klinik Bescheid gesagt. Man erwartet Sie dort, und ich gebe Ihnen auch den Namen des Mannes, der Lucas Ball gefunden hat. Er heißt Higgins. Harold Higgins.«
Da der große Morgenverkehr vorbei war, rechnete ich damit, dass wir einigermaßen gut durchkamen. Nach Regen sah es auch nicht aus, aber es war kühl geworden.
Sir James verschwand wieder. Suko und ich erhoben uns, und wir sahen, dass Glenda uns zunickte.
»Dann gute Reise. Und passt auf, dass ihr kein Blut verliert, denn dann seht ihr noch schlechter aus als jetzt.«
Ich gab keine Antwort, denn ich wusste, dass Glenda immer das letzte Wort haben musste...
***
Wir hatten tatsächlich mal Glück, was den Verkehr anging. Es gab keinen Stau, der uns aufhielt. Wir mussten zwar hin und wieder langsam fahren, aber zum Stehen kamen wir nie.
Viel sprachen wir nicht auf der Fahrt. Und wenn, dann redeten wir über den Fall, von dem wir erst so etwas wie einen Anfang kannten. Beide machten wir uns darüber Gedanken, ob dieser Lucas Ball tatsächlich ein Opfer von Halbvampiren geworden war.
»Sie können überall sein«, meinte Suko. »Im Moment sind sie ja führungslos.«
Da hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen. Sie waren führungslos, denn es gab keine Justine Cavallo, die sie hätte leiten können. Die blonde Bestie war seit einiger Zeit außer Gefecht gesetzt, denn sie hatte in ihrer Gier das falsche Blut getrunken. Das einer Frau, die als Heilige verehrt worden war, Jahrhunderte in einem gläsernen Sarg gelegen hatte und nun bei den Conollys untergeschlüpft war. Das war bisher gut gegangen, doch man musste sich immer wieder fragen, wie lange das noch anhielt.
Führungslose Halbvampire, was würden sie tun? Klar, auch sie brauchten Blut. Aber sie holten es sich auf eine andere Art und Weise wie die normalen Vampire. Sie waren noch im Werden. Und so waren sie Vampire ohne Blutzähne, aber mit dem Durst nach dem Lebenssaft der Menschen.
»Ich hoffe nicht, dass sie durchdrehen und anfangen, jeden Menschen anzugreifen, der ihnen begegnet.«
Suko winkte ab. »Das glaube ich nicht. Ich habe mehr den Eindruck, dass sie sich etwas zurückgezogen haben. Sie sind in irgendwelchen Verstecken verschwunden, halten sich zurück, lauern und warten ab, bis sie wieder einen Kontakt mit ihr bekommen.«
Ich wusste natürlich, wen Suko damit meinte. »Wenn es nach mir ginge, könnte die Cavallo für immer wegbleiben. Ich trauere ihr nicht nach.«
»Da können wir uns die Hand reichen, John. Aber sie wird uns den Gefallen trotzdem nicht tun.«
»Das ist ja das Problem.«
Zunächst konnten wir sie vergessen. Wir mussten uns auf andere Dinge konzentrieren, denn wir waren schon in Brentwood angelangt. Es war ein Ort, den man nicht mehr als Dorf bezeichnen konnte. Eine kleine Stadt, in der es auch ein Krankenhaus gab.
Suko hatte das Navi nicht eingeschaltet. Wir brauchten es auch nicht, denn es gab schon nach der Einfahrt in den Ort entsprechende Schilder, die auf verschiedene Gebäude in der Stadt hinwiesen, unter anderem auch auf das Krankenhaus.
Es war eine Erholung, hier zu fahren. Es gab viel Grün, recht breite Straßen, und wir sahen einen Park mit der Zufahrt zu unserem Ziel.
Die Straße führte auf ein großes mehrstöckiges Gebäude zu, vorbei an mächtigen Bäumen, die dabei waren, ihr herbstliches Kleid anzulegen, denn das Laub fing an, sich zu verfärben. Der schwache Wind spielte mit Blättern, die sich gelöst hatten und schwankend zu Boden fielen, wo sie auf dem Gras allmählich für einen Teppich aus Laub sorgten.
Der Parkplatz war fast leer. Wir konnten uns den Platz aussuchen und hielten in der Nähe des Eingangs an. Wir stiegen aus und atmeten sogleich eine Luft ein, die besser war als die in London. Viel frischer, einfach herrlich. Dieses Wetter lud zum Spazierengehen im Wald ein, und wenn noch eine fahle Sonne hinzukam wie hier, war die Szene perfekt.
Für uns nicht, denn niemand betrat gern ein Krankenhaus, obwohl man sich hier die Mühe gemacht hatte, es nicht
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