1755 - Im Fokus der Hölle
müssen, Johnny. Ich jedenfalls hoffe, dass du diese Waffe immer gezielt einsetzt und dich nicht anderen Menschen gegenüber erhaben fühlst, weil du diese Macht besitzt. Kann ich mich darauf verlassen, mein Junge?«
»Natürlich.« Johnny schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht schießwütig. Aber im Notfall muss ich mich wehren können, das habe ich vorhin erlebt.«
»Gut.«
Das eine Wort hatte nicht eben fröhlich geklungen, und so fühlte sich Johnny angehalten, seiner Mutter noch etwas zu erklären.
»Es ist nicht einfach für mich gewesen, abzudrücken. Ich denke auch jetzt noch darüber nach. Aber ich habe wirklich keine andere Wahl gehabt. Dieser Halbvampir wollte mich töten.«
Sheila lächelte etwas verhalten. »Das kann ich mir vorstellen. Er wollte töten oder auch dein Blut trinken, was irgendwie auf das Gleiche hinausläuft. Es ist schon okay.«
»Wir werden den zweiten Blutsauger auch noch finden«, erklärte Johnny.
Sheila hob die Augenbrauen. »Habt ihr denn eine Ahnung, wo er sich befindet?«
»Nein.«
»Vielleicht ist er geflohen.«
»Das werden wir sehen.« Bill lächelte seiner Frau zu. »Zur Not klettere ich auf das Dach.«
»Das würde ich sowieso an deiner Stelle tun.« Mehr sagte sie nicht. Sie schloss das Fenster wieder und zog sich zurück.
Vater und Sohn schauten sich an. Beide suchten nach den richtigen Worten.
»Nun, was sagst du, Johnny?«
Er musste nicht lange nachdenken. »Ich habe mir Mas Reaktion anders vorgestellt. Nicht so verständnisvoll. Ich hatte das Gefühl, mit einer Fremden zu sprechen.«
»Nun übertreibe mal nicht. Deine Mutter weiß auch, dass du erwachsen geworden bist. Zudem bist du ein echter Conolly und kannst deinem Schicksal nicht entgehen.«
»Ja, das scheint mir auch so.«
»Und jetzt sehen wir uns noch ein wenig um. Vor allen Dingen brauchen wir eine Leiter, um aufs Dach zu steigen.«
»Da liegt eine in der Garage.«
Bill lächelte. »Dann werden wir sie holen und aufs Dach klettern. Wäre doch gelacht, wenn wir den Vogel nicht fangen würden...«
***
Lilian Block kam aus ihrer Lage nicht heraus. Sie lag rücklings auf den Beinen der Blutsaugerin, die den Kopf ihres Opfers gedreht hatte, damit sie ihre Zähne in den Hals jagen konnte.
Jetzt sprudelte das Blut!
Die Cavallo hatte ihr eigene Art zu trinken. Sie öffnete die Lippen und spürte, wie das Blut in ihren weit geöffneten Mund spritzte und sogar die hinteren Bereiche erreichte, so groß war der Druck.
Sie schluckte, sie knurrte dabei – bis zu dem Zeitpunkt, als sie Lilian Block ihre flache Hand gegen den Kopf klatschte und ihn von sich stieß.
Justine schrie auf. Sie schüttelte sich, als würde sie sich vor etwas ekeln. Sie stieß Lilian noch weiter von sich, dass sie über ihre Knie rollte, zu Boden stürzte und halb unter einem Tisch zu liegen kam. Bewusstlos war sie nicht geworden, nur ziemlich angeschlagen, und sie wusste nicht, weshalb die Cavallo ihr nicht weiter das Blut aus der zerfetzten Ader saugte.
Justine Cavallo saß noch immer. Sie schüttelte sich, sie fluchte, sie schrie, sie schlug mit ihren Händen auf die Oberschenkel und schaute zu, wie sich Lilian Block zuerst umdrehte und dann aufrichtete. Sie traute sich allerdings nicht, die Flucht zu ergreifen, denn noch gab es die beiden Leibwächter der blonden Bestie.
Die Cavallo hatte sich wieder gefangen. Aber sie schüttelte den Kopf, und dann öffnete sie den Mund, um die Reste von dem auszuspucken, was sie getrunken hatte.
Sie spie, sie hustete, sie wischte über die Lippen und starrte danach Lilian Block an.
»Dein Blut ist verseucht!«
Es war ein schwerer Vorwurf, mit dem Lilian erst mal fertig werden musste. Sie war stolz auf ihr Blut gewesen, und jetzt erschien jemand und sagte ihr so etwas.
»Nein, es ist völlig rein.«
»Für mich ist es verseucht. Ich habe es geschmeckt. Es ist kein gutes normales Blut mehr. Was hast du mit ihm angestellt?«
Plötzlich konnte Lilian nicht mehr. Sie musste einfach lachen.
»Was ist?«, herrschte Justine sie an.
»Ja, du hast recht, mein Blut ist verseucht. Für dich ist es das, für mich aber nicht, denn ich habe es gereinigt. Ich war bei Serena, und sie hat mir erlaubt, etwas von ihrem Blut zu trinken. Das habe ich getan, und durch die Kraft der Heiligen ist es bei mir zu einer Umwandlung gekommen.«
Die Cavallo beugte sich im Rollstuhl vor. Sie hatte die Worte verstanden und fühlte sich gedemütigt. Sie war diejenige gewesen, vor der alles gezittert hatte. Und
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