1755 - Im Fokus der Hölle
kein Problem war, denn die Kirche war in ihrem Innern recht übersichtlich. Die Stille, die hier herrschte, gefiel mir nicht. Mir kam sie unnatürlich vor.
»Hast du einen Plan?«, flüsterte Suko mir zu.
»Nein, wir lassen alles auf uns zukommen. Je länger ich hier jedoch stehe, umso mehr habe ich das Gefühl, dass jemand diese Kirche hier besucht hat.«
»Du denkst an Serena?«
»Auch.«
»Wenn sie hier war, John, oder sogar noch hier ist, warum hat sie sich dann noch nicht bemerkbar gemacht?«
»Das frage ich mich auch.«
Wir standen vor dem Altar, der keinen Schmuck zeigte. Dahinter waren kahle Wände. Wir sahen nichts, was uns weitergebracht hätte.
Und dann passierte es. Es war verrückt, und ich konnte es zuerst nicht glauben. Und doch war es ein Schatten, der sich über den Boden vor uns bewegte.
Ein Schatten entsteht nicht einfach so. Es muss immer jemand geben, der ihn produziert.
Und dieser Jemand war das große Holzkreuz!
Ich hielt beinahe den Atem an, als ich ihm einen Blick zuwarf. Das Kreuz bewegte sich. Es war zu einem mächtigen Pendel geworden, das vor und zurück schwang.
Ich bekam große Augen und überlegte, welche Kraft es in Bewegung gesetzt haben könnte.
Und es schwang weiter!
Die ersten Pendelbewegungen waren ja noch recht kurz gewesen. Das änderte sich nun, denn das Kreuz erhielt immer mehr Schwung und geriet auch gefährlich in unsere Nähe, sodass wir schon zurückzuckten und den Kopf einzogen.
»Das ist nicht normal, John«, murmelte Suko.
Mein Blick glitt zur Decke. Ich wollte sehen, wie gut das schwere Holzkreuz dort befestigt war, aber es war nichts zu erkennen.
Dafür schwang es noch weiter. Es holte regelrecht aus, und man konnte den Eindruck gewinnen, dass es zuschlagen wollte. Suko und ich hatten bisher dicht beisammen gestanden. Das änderten wir, denn wir ließen jetzt Platz zwischen uns.
Noch mal schwang das Kreuz auf uns zu. Diesmal mit einer besonderen Kraft, und ich kam mir vor wie jemand, der unter einer Vorahnung litt.
»Weg!«, keuchte ich.
Es war richtig. Ich tauchte nach links ab, Suko nahm die Gegenrichtung. Jetzt war die Kluft zwischen uns noch größer geworden, eine Lücke, in die das Kreuz hineinwuchtete. Es hatte sich bei meiner Warnung gelöst und flog wie ein gewaltiges Mordinstrument auf uns zu...
***
Es war wirklich gut gewesen, dass wir uns so viel Schwung gegeben hatten. Der waagerechte Balken war doch recht lang und hätte uns leicht von den Beinen geholt. So aber war die Distanz groß genug, und er verfehlte uns.
Wir lagen nicht am Boden, hatten uns aber geduckt, als wir hinter uns das Krachen hörten. Jetzt fuhren wir herum. Mit einem Blick sahen wir, was geschehen war.
Das Kreuz war wie eine Ramme in die Bänke gekracht und hatte sie teilweise zerstört. In unserer Nähe hingen nur die dünnen Drahtseile von der Decke.
Suko und ich schauten uns an. Mein Freund hob die Schultern. »Das Kreuz hätte uns zumindest verletzen können. Dafür ist es nicht gemacht, John. Weshalb wir uns fragen müssen, wer es manipuliert hat.«
»Sie waren hier. Matthias und Justine. Die sind von der gleichen Idee ausgegangen wie wir. Kirche und Versteck, das war es.«
»Ja, John.« Suko stemmte die Hände in die Seiten und drehte sich mehrmals um die eigene Achse, aber von unseren Gegnern sah er nichts. Aber auch keine Spur von Serena.
Ich nickte ihm zu. »Jedenfalls waren sie hier, und sie haben das Kreuz manipuliert.«
»Warum wohl?«
»Weil es uns treffen sollte. Die andere Seite hat gewusst, dass wir kommen würden.« Ich zuckte mit den Schultern. »Es hat nicht geklappt. Jetzt bin ich mal gespannt, was man sich noch für uns ausgedacht hat.«
»Ist Serena denn für sie so wichtig?«
»Das muss sie wohl sein. Sonst würden sie nicht wie wir nach einem Ort suchen, wo sie sich versteckt haben könnte.«
»Hier jedenfalls nicht. Dann hätten wir sie gesehen.«
Überzeugend klang das nicht. Auch, dass sich das Kreuz von allein in Bewegung gesetzt hatte, gefiel mir nicht. Dahinter konnte nur Matthias stecken. Für ihn war es ein Leichtes, die Kräfte der Hölle einzusetzen. Es würde ihm auch gelingen, die Kirche zum Einsturz zu bringen.
Als mir der Gedanke kam, schaute ich unwillkürlich zur Decke hoch, aber da tat sich nichts. Ich hörte nichts knirschen und es gab auch keine Risse.
Außerdem verspürte ich keine Warnung meines Kreuzes, aber verlassen wollte ich mich darauf nicht. Ich ging hinter den Altar und suchte dort nach einem
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