1756 - Herr der Milchstraße
Auftritte hinwiesen.
Daß Herengoor ausgerechnet jetzt zu Cereas von Mereosch ging und um Gnade für Todeskandidaten bat, erweckte die Aufmerksamkeit aller am Strand.
Wer seine Gespräche bis jetzt noch nicht eingestellt hatte, der wurde wispernd und flüsternd darauf hingewiesen, daß es ratsamer war, ruhig zu sein und den Handelsfürsten im Auge zu behalten.
„Was ist los, Moscher?" fragte Cereas von Mereosch, ohne den Kanzler zu beachten.
„Dein Sohn kann warten", fuhr ihm der Kanzler furchtlos ins Wort. „Die Todeskandidaten werden in einigen Minuten nicht mehr am Leben sein, wenn du dich nicht jetzt und sofort dafür entscheidest, Gnade walten zu lassen."
„Die Hinrichtung wird um einige Minuten aufgeschoben, bis ich mit Moscher gesprochen habe!"
befahl der Handelsfürst. Einer der Mitarbeiter des Kanzlers gab diese Nachricht sofort an das Hinrichtungskommando weiter.
Herengoor wußte, daß er nun nichts mehr erreichen konnte. Ihm war klar, daß die Todeskandidaten verloren waren.
Die Körperhaltung des Chefs der Garde verriet ihm nur zu deutlich, daß Moscher schlimme Nachrichten überbrachte, und er befürchtete, daß sich daraus gefährliche Konsequenzen ergeben würden.
Der Sohn von Adrom Cereas von Mereosch verzichtete darauf, seinen Vater schonend auf die schlimme Nachricht vorzubereiten.
„Klerin ist tot", berichtete er nüchtern. „Man hat ihn mit Gift ermordet."
Adrom stand wie betäubt am Strand. Er hörte das Rauschen der Brandung und das Kreischen der Seevögel, die über ihm kreisten, und er hatte das Gefühl, von Eiseskälte erfaßt zu werden.
Klerin war sein Lieblingssohn gewesen. Ihn hatte er als seinen Nachfolger aufbauen wollen. Daß ausgerechnet er umgebracht worden war, traf ihn zutiefst.
Adrom Cereas von Mereosch war ein grausamer und bösartiger Mann, galt als Meister der Intrige, der seine Macht unter anderem darauf aufgebaut hatte, daß er nie eine feste Gemahlin gehabt und fast immer mehrere Gefährtinnen gleichzeitig besessen hatte. Mit allen hatte er Kinder gezeugt, und er hatte dafür gesorgt, daß sie alle um seine Gunst buhlten und sich gegenseitig mit Intrigen schwächten.
Dabei kam es immer wieder vor, daß der eine oder andere zu weit ging und seinem vermeintlichen oder tatsächlichen Gegenspieler das Leben nahm.
Auch Klerin war in dieses Spiel eingebunden gewesen.
Dafür hatte Adrom gesorgt, um seinen Sohn auf diese Weise auf die besonderen Bedingungen am Hofe vorzubereiten.
Dennoch hatte Klerin auf einer Insel der Ruhe und der Abgeschiedenheit mitten im turbulenten Leben am Hof gelebt. Er hatte ihn geschützt, wo immer er konnte, um zu verhindern, was jetzt geschehen war - einen Mord.
Die grausame Tat nahm ihm nicht nur den Thronfolger, sondern machte auch die sorgfältige Arbeit von 23 Jahren zunichte: Vom ersten Tag nach der Geburt Klerins an hatte Adrom sich seiner besonders angenommen, um ihn zu fördern.
Mit den Jahren hatte er eine tiefe Zuneigung zu Klerin gewonnen. Niemand war ihm so nahe gewesen wie dieser Sohn, der nicht nur über eine ungewöhnliche Intelligenz verfügte, sondern alle positiven Eigenschaften aufwies, die von einem Handelsfürsten verlangt wurden, damit er den hohen Ansprüchen, die seine Funktion an ihn stellte, genügen konnte.
Der Tod Klerins war ein großer Verlust für den Hof und zugleich ein Schaden, der nicht mehr gutzumachen war. Schlagartig wurde Adrom bewußt, daß er versäumt hatte, für einen solchen Fall vorzusorgen: Nun gab es niemanden mehr, der als sein Nachfolger in Frage kam. Es tröstete ihn nur wenig, daß er beabsichtigte, noch einige Jahrzehnte in Amt und Würden zu bleiben.
„Bringt sie um!" schrie er Kanzler Herengoor an. „Nicht ein einziger von ihnen wird begnadigt.
Sie alle sollen den Solta-Tod sterben!"
Die Männer und Frauen in seiner Nähe schrien erstickt auf. Seit Jahrhunderten war niemand mehr auf so grausame Weise hingerichtet worden, wie Adrom es nun befahl. ,„Das kannst du nicht tun", stammelte Herengoor. Es war wohl das einzige Mal seit mehr als dreißig Jahren, daß er seine Fassung verlor.
„Es sei, wie ich befohlen habe", sagte Adrom mit gepreßter Stimme. Der Schmerz über den Verlust des geliebten Sohnes drohte ihn zu übermannen. „Zeichnet die Zeremonie auf. Ich werde sie mir später ansehen, und wehe den Henkern, wenn sie nicht so verfahren, wie es Vorschrift ist.
Dann werde ich sie persönlich umbringen, und ich werde es auf eine Art machen, die Solta noch weit
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