176 - Geliebter Höllenkater
Rückenlehne etwas nach hinten und entspannte mich. Jedenfalls versuchte ich es. Ganz gelang es mir nicht. Ich ertappte mich immer wieder dabei, wie ich besorgt in mich hineinhorchte. Hatte ich das gesamte Gift aus meinem Körper vertrieben, oder gab es irgendwo noch einen kleinen Rest, der mir irgendwann in den Kopf gestiegen und mich zum Selbstmord verleiten würde?
Die Ungewißheit machte mir zu schaffen.
Nach zehn Minuten hatte ich mich so weit erholt, daß ich den Rover in Betrieb nehmen durfte, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.
***
Mr. Silver öffnete die Haustür. Sein Blick huschte an mir auf und ab. Er wußte von Tucker Peckinpah, daß ich Paul Kaufman nicht mehr retten konnte, und es wunderte ihn, daß ich jetzt erst wiederkam.
»Ich hatte dich früher zurückerwartet«, sagte der Ex-Dämon. »Gab es noch irgend etwas? Wurdest du aufgehalten?«
Ich nickte. »Von Lennie.«
Der Hüne sah mich mit seinen perlmuttfarbenen Augen erschrocken an. »Du hast den Kater gesehen? Und?«
Ich erzählte.
Der Ex-Dämon verlangte meine Hand zu sehen.
Ich zeigte ihm die Kratzer. »Es ist alles in Ordnung. Sei unbesorgt«, sagte ich. »Ich fühle mich wie immer. In meinen Eingeweiden rumort lediglich ein heiliger Zorn, weil es mir nicht gelang, Lennie zu vernichten.«
»Erst mal sollten wir froh sein, daß die Begegnung für dich so glimpflich abging«, sagte Mr. Silver.
Wir begaben uns ins Wohnzimmer. Die Sutherlands saßen beisammen und schauten mich gespannt an. Das lange Warten zerrte sichtlich an ihren Nerven.
Hier war während meiner Abwesenheit nichts vorgefallen.
Ich zog den Colt Diamondback aus dem Leder und legte ihn auf den Tisch; Der Anblick der Waffe sollte den Sutherlands die Spannung nehmen, aber an ihrer Haltung änderte sich nichts. Sie wirkten weiterhin unsicher und verkrampft.
Wenn es für sie doch nur schon vorbei gewesen wäre! Ohne ihr Zutun waren sie in eine verdammt unerfreuliche Sache geraten. Ohne unsere Hilfe kamen sie da höchstwahrscheinlich nicht mehr heraus. Ich war ziemlich sicher, daß Lennie sie nicht ungeschoren lassen würde.
Meine Gedanken schweiften ab, ohne daß ich es merkte. Wenn lange Zeit nichts passiert, ermüdet die Aufmerksamkeit.
Ich befaßte mich im Geist zuerst mit Lennie und dann mit der alten Frau. Wer war sie? Woher kam sie? Wo war sie zu finden?
Ich schien einen Wachtraum zu haben. Überdeutlich sah ich sie plötzlich vor mir. Jede einzelne Falte ihres unsympathischen Gesichts, die lange schmale Nase, einen dünnlippigen Mund, die Zähne eines Nagetiers, und böse, verdammt böse Augen.
Wieso konnte ich sie so genau sehen? Hatte sie mit mir Kontakt aufgenommen?
Sie verzog ihr Gesicht zu einem hämischen Grinsen. »Lennie hat dich verletzt!« sagte sie. »Du weißt, was das bedeutet?«
Sie sprach, doch nur ich konnte sie hören, und nur ich konnte antworten. Es bestand eine telepathische Verbindung zwischen uns, von der nicht einmal Mr. Silver wußte.
»Ich habe Lennies Gift neutralisiert«, gab ich zurück. »Es wirkt nicht mehr.«
»Du Narr«, höhnte die Alte. »Wenn es so wäre, könnte ich mit dir nicht in Verbindung treten.«
Ich spürte, wie sich mein Herz zusammenkrampfte. Hatte mein Ring nicht alles gelöscht?
»Du bist dem Tod geweiht, Tony Ballard. Du wirst genauso sterben wie die anderen!« behauptete die Alte triumphierend. »Du hast nicht die geringste Chance!«
»Wer bist du?« wollte ich wissen. »Mein Name ist Candoca.« Sie sagte das so, als müsse jeder diesen Namen kennen. Mir war er fremd.
»Was bist du, Candoca?« fragte ich. Mr. Silver und die Sutherlands gab es für mich nicht mehr. Ich war allein - mit Candoca. »Bist du eine Hexe?«
»Ich bin mehr als eine von vielen Teufelsbräuten«, behauptete Candoca.
»Dann bist du eine Dämonin.«
»Ich bin Herrin über Leben und Tod!« verkündete die eingebildete Alte. »Lennie beweist es.«
»Warum hast du ihn wiedererweckt?«
»Damit er tut, was ich will«, antwortete Candoca.
»Und was ist das?«
»Nichts bereitet mir mehr Freude als zu vernichten. Lennie tut es für mich. Niemand kann ihn aufhalten. Er wird dafür sorgen, daß sich eine breite Blutspur durch die Stadt zieht. Immer neue Opfer wird er finden. Es wird ihm nicht schwerfallen. Er ist mein tödliches Werkzeug.«
»Das du als nächstes gegen die Sutherlands einzusetzen gedenkst.«
»Erraten, Tony Ballard.« Candoca lachte grausam.
»Mein Freund und ich werden den verdammten Kater vernichten!«
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