176 - Insel der Fledermäuse
Saft. Sternförmige Früchte, die von weit oben herabfallen, verbreiten Staub, der euch lähmt. Insekten, so groß wie Unterarme, verbergen sich unter Blattwerk, krallen sich an den Beinen fest und beißen sie mit ihren langen Scheren durch. Meterlange Würmer, dünn wie meine Finger, schießen aus dem Boden, umwickeln euch und pressen euch zu Tode…«
»Danke für die aufmunternden Worte«, unterbrach ihn Aruula eilig. Ihre Lust, das Rätsel der Batangs zu lösen, war an einem neuen Tiefpunkt angelangt. »Wie kommt es, dass du dich hier so gut auskennst? Und wie überleben die Mitglieder eures Stammes, wenn ihr eure Toten bestatten kommt?«
»Ich habe all diese Dinge und vieles mehr erzählt bekommen«, wich Chaang aus. »Dies ist außerdem bereits mein siebter Besuch auf Karimun. Ich werde mich immer an die Dinge erinnern, die ich hier erlebte.«
Achtlos wirbelte Chaang mehrere Lianen beiseite, schleuderte sie einfach gegen einen Baumstumpf. »Die Neen Lobon achten auf mich und die anderen Mooken. Sie beschützen uns vor allen Gefahren.«
Ein Grollen wie aus einer tiefen, einer sehr tiefen Kehle ertönte. Ein schattenhafter Körper entfernte sich im Unterholz rechts von Aruula. Sie sah ein wakudaähnliches Schnauzgesicht, ein hässliches Gebiss mit mächtigen Hauern und tief rote, bösartig glitzernde Augen. Die Barbarin verstärkte den Griff um das Messer, das sie längst gezückt hatte.
»Wird der Schutz der Totengeister auch uns mit einschließen?«, fragte sie.
»Vielleicht. Wir werden es merken.« Chaang stapfte weiter, ohne sich um seine Begleiter zu kümmern. Eine Art Fieber schien ihn gepackt zu haben, nun da er über den Boden dieser mystisch verbrämten Insel marschierte.
Angesichts der vielen Bedrohungen, die der dichte Dschungelwald für sie bereithielt, schraubte Aruula ihre Aussichten, dieses Abenteuer rasch hinter sich zu bringen, weit zurück. Zeit spielte nun keine Rolle mehr.
Vorsicht und eine vernünftige Planung erschienen ihr wichtiger als jemals zuvor.
»Wir bleiben dicht beieinander«, flüsterte sie ihren Begleitern zu. »Achtet auf alles, was sich bewegt. Redet miteinander. Wir müssen lernen, und das so rasch wie möglich. Sonst düngen wir in absehbarer Zeit den Boden Karimuns mit unseren verwesenden Leibern.«
Yngve nickte ihr zu. Er war seltsam ruhig geworden.
Im Angesicht der Gefahr wirkte er meist mundfaul und in sich gekehrt. Chabilay Tihm hingegen zeigte seine Ängste nur zu deutlich. Seine Schwerthand zitterte und jedes Geräusch schien ihn zu erschrecken.
»Ein bisschen langsamer«, bat Aruula Chaang, der davonzueilen drohte. »Du musst uns zeigen und erklären, was in diesem Dschungel vor sich geht. Oder willst du, dass wir draufgehen, noch bevor wir diese Batangs zur Strecke gebracht haben?«
»Nein.« Der Junge blieb teilnahmslos stehen und wartete, bis sie aufgeschlossen hatten. Dann setzte er sich wieder in Bewegung. Vorsichtiger und aufmerksamer diesmal. Ab und zu gab er kurze Erklärungen von sich, warnte vor giftigem Efeu oder unscheinbaren Insekten, blieb aber weiterhin seltsam distanziert.
Aruula durchschaute Chaang nicht. Manchmal benahm er sich wie ein guter Freund, war aufmerksam und freundlich, dann wiederum ließ er eine unüberwindbare Mauer zwischen sich selbst und ihnen entstehen.
Der Weg, bislang kaum erkennbar, wurde allmählich breiter. Immerhin stapften sie nun nicht mehr durch diese unangenehme Mischung aus Blätterwerk und feuchter Erde, sondern über steinigen Boden. Chaang beschleunigte einmal mehr seinen Schritt, lief nun leichtfüßig hügelan und hügelab.
Aruula und Yngve hatten keinerlei Probleme, ihm zu folgen, während Chabilay Tihm schwer zu keuchen begann. Er war bei weitem nicht so austrainiert, wie es ein Mann seiner Profession sein sollte.
»Halt!«, sagte Chaang, hob den Arm und deutete nach links.
Aruula konzentrierte sich darauf, das Einerlei des Dschungelgrüns mit Blicken zu durchdringen. »Was gibt es dort?«, fragte sie schließlich resignierend.
»Alte Dinge«, antwortete der Junge kurz angebunden.
»Solche, die älter sind als die Neen Lobon.«
»Zeig sie uns!«, forderte Yngve.
Chaang wich vom Weg ab, sprang geschickt von Luftwurzel zu Stein, von Stein zu totem Ast, bis ihn der Dschungel verschlungen hatte.
»Also – hinterher.« Aruula seufzte. Schweiß lief ihr über Gesicht, Hals und Nacken. Überall juckte es. Sie vermeinte kleine Tierchen über ihren Körper laufen zu spüren.
Natürlich hatte sie sich
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