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176 - Insel der Fledermäuse

176 - Insel der Fledermäuse

Titel: 176 - Insel der Fledermäuse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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war die verwundete Stelle, deren Blutstrahl mittlerweile nachgelassen hatte. Aruula lief leichtfüßig neben dem Tier her und wartete den richtigen Moment ab, während sich Yngve mit angespannter Muskulatur auf den Hieb vorbereitete.
    Jetzt!
    Aruula stemmte die Beine in den Boden, hieb ihr Schwert in die Wunde, nutzte den Schwung des Wurms aus und riss ihm den Leib auf einer Länge von mehreren Metern auf.
    Noch bevor er Yngve erreichte, quollen Gedärme und große Mengen Körperflüssigkeiten hervor. Das Tier verendete zuckend, bäumte sich ein letztes Mal auf und fiel schließlich seufzend nieder.
    Stille herrschte plötzlich, nur unterbrochen vom Keuchen der Kampfgefährten.
    »Wir arbeiten gut zusammen«, sagte Yngve schließlich.
    Er säuberte sein Schwert am Blattwerk, machte einen respektvollen Bogen um den Kopf des Wurmes und trat zu ihr.
    »Kann ich euch denn nicht mal eine halbe Stunde alleine lassen, ohne dass ihr euch irgendwelche Probleme aufhalst?«, fragte sie ausweichend. Der Noorwejer war ihr Reisebegleiter, nicht mehr, nicht weniger. Sie wollte ihm keine Gelegenheit geben, zu glauben, dass sie »gut zueinander passten«. Dafür war sie noch lange nicht bereit.
    Oder?
    Auch sie putzte nun ihr Schwert ab, ohne ihre Aufmerksamkeit von der näheren Umgebung zu lassen.
    Aasfresser waren im Dschungel stets rasch zur Stelle.
    »Mir wurde langweilig«, ging Yngve auf ihren scherzhaften Ton ein, »und darum hab ich ein bisschen trainiert. Wie war's bei dir? Hast du etwas Interessantes in dieser Metallhöhle gefunden?«
    »Wie man's nimmt.« Sie ordnete ihre Kleidung und kontrollierte die Hüfttasche. »Ich musste mich ein wenig mit… Ungeziefer herumärgern.«
    »Ungeziefer von der Art, das einen umschlingt und Kratzwunden verursacht?« Yngve deutete auf das gerötete Fußgelenk und die abgeriebenen, blutenden Hautstellen.
    »Du musst einer Frau ihre kleinen Geheimnisse lassen«, sagte sie spitz. »Ah – wen haben wir denn da?«
    Chaang hatte sich von einem Baum geschwungen.
    Zögernd kam er auf sie zu. Er war blass und zitterte. Das eindruckslose Gesicht, hinter dem er sich versteckt hatte, war verschwunden. Nun wirkte er wie jemand, dem man den letzten Funken Selbstvertrauen genommen hatte.
    »Was ist los?«, fragte Aruula, ohne besonders viel Freundlichkeit in ihre Stimme zu legen. Kurz sah sie sich nach Chabilay Tihm um. Wie erwartet, hatte er beim ersten Zeichen von Gefahr Fersengeld gegeben. Im Kampf gegen greifbare Gegner mochte er ein gefälliger Partner sein. Aber wenn es galt, dem Unbekannten gegenüber zu treten, scheiterten die besten Männer.
    »Es hat sich etwas geändert«, sagte der Junge. Er drehte sich im Kreis, blickte ängstlich umher.
    »Was meinst du? Der Dschungel ist voller Gefahren. Uns war bewusst, dass dies kein Spaziergang werden würde.«
    »Euch war das natürlich klar«, flüsterte Chaang. »Aber als Mooke, so dachte ich, könnte mir nahe der Ahnengräber nichts passieren.« Seine Lippen zitterten unkontrolliert. »Ich habe mich getäuscht. Ich spüre die Neen Lobon nicht mehr. Sie sind ausgezogen und haben uns alleine zurück gelassen.«
    7.
    Nur wenige hundert Meter entfernt fanden sie Chabilay Tihms Überreste. Er musste vor Angst halb wahnsinnig davon gestürzt sein. Orientierungslos war er dem Trampelpfad weiter ins Inselinnere gefolgt, statt hinab zum Strand zu laufen. Möglicherweise war er ein, zwei Schritte vom Weg abgewichen.
    Er lag gegen einen moosbewachsenen Baum gelehnt, mit weit aufgerissenen Augen und einer herausgestreckten, blau angelaufenen Zunge. Eine dornige Würgepflanze hatte sich um seinen Hals geschlungen. Hinter dem Söldner raschelte und zischte es; auch waren deutliche Schmatzgeräusche zu hören.
    Chabilays Beine waren bereits im Unterholz verschwunden. Eine gut organisierte Kolonie handtellergroßer Insekten kroch über den Rumpf des Söldners. Mit messerscharfen Zangen schnitten sie Haut-und Fleischteile ab. Aus dem Untergrund zog und zerrte irgendetwas oder irgendjemand, während sich ein spinnenähnliches Wesen von oben herab allmählich über sein Gesicht stülpte.
    »Wir können nichts mehr für ihn tun«, sagte Aruula leise. »In wenigen Minuten wird sein Leichnam vom Dschungel verschluckt sein.« Sie sprach ein stilles Gebet für den Söldner und marschierte schließlich mit zornigen Gedanken weiter. Niemals, niemals würde sie sich an diese Umgebung gewöhnen, in der hinter jeder Ecke Gefahr drohte. In der Heimat war alles viel einfacher

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