1760 - Tödliche Lockung
würde er passen müssen. Eine wie Carmen wollte keinen Kontakt mit einem Verlierer, das stellte er sich schon vor.
In drei Tagen hatte ihn der Alltag wieder. Da war sein Urlaub vorbei. Dann ging es ab in die Welt unter den Victoria-Bahnhof, wo er Pakete annehmen und sie in die richtigen Fächer befördern musste. Ein Knochenjob, der zudem noch beschissen bezahlt wurde.
Ein Lichtblick war sie gewesen.
Urplötzlich war sie in sein Leben getreten. Auf der Straße, am Piccadilly, waren beide zusammengeprallt, und es hatte ihn wie ein Blitzschlag erwischt.
Die Frau war ein Wahnsinn. Sie war ein Schuss. Sie war etwas, von dem Männer nur träumen konnten. Zumindest er. Carmen war Erotik pur und auch Exotik, denn sie stammte aus dem Süden Europas, das hatte sie ihm erzählt, nachdem er sie in ein Café eingeladen hatte. Sie war hervorragend ausgebildet. Sie wusste viel, sie interessierte sich für die Rätsel der Welt und war trotzdem kein verknöcherter Lehrertyp. Angeblich war sie Tänzerin und auch Schauspielerin. Wer sie anschaute, der konnte davon ausgehen, denn mit ihren gleitenden Bewegungen wies sie auf diese Ausbildung hin.
Und sie stieß Blacky nicht ab. Sie lachte ihn auch nicht aus, wie es andere Frauen schon öfter getan hatten, weil er kein Adonis war und sich oft unsicher fühlte.
Das alles kümmerte Carmen nicht. Nur an sich heranlassen wollte sie ihn nicht. Es sei denn, er tat ihr einen großen Gefallen und schaffte damit ein Problem aus dem Weg.
Das Problem war die Frau in der Tiefgarage. Es hatte leider nicht so perfekt geklappt, und jetzt würde ihn Carmen wohl im Stich lassen oder ihm sogar die Bullen auf den Hals hetzen. Er rechnete mit allem.
Es passierte nichts. Auch in der Zeitung hatte er von dem Anschlag nichts gelesen, man hielt sich eben zurück. Wie auch Blacky, der sich in seine kleine Wohnung verkrochen hatte und weder etwas hören noch sehen wollte. Etwas Ansehnliches gab es in der Umgebung auch nicht. Wenn er aus dem Fenster schaute, fiel sein Blick auf eine Industrieruine, die Obdachlosen als Schlafplatz diente.
Und dann kam noch etwa hinzu. Eine viel befahrene Straße führte am Fenster entlang. Wenigstens lag sie hinter dem Fabrikgebäude, das den Lärm allerdings nicht schluckte.
Er hatte sich an alles gewöhnt. Aber er machte sich auch nichts vor. Eine bessere Wohnung konnte er sich nicht leisten, und deshalb würde er in den folgenden Jahren hier hocken. Einen Besuch mitzubringen, das traute er sich nicht. Vor allen Dingen keine wie Carmen.
Es gab einen Tröster in solchen Situationen. Das war der Gin, und davon hatte er immer genügend Nachschub im Haus.
Auch an diesem Tag hatte er eine Flasche geöffnet. Ein Wasserglas stand daneben. Er hatte schon einen großen Schluck genommen und wollte Abschied von seinem Traum nehmen. Er dachte daran, mal Glück gehabt zu haben, aber das war wohl nichts gewesen. So würde er wohl leider zu Helen gehen müssen, die ein Bordell betrieb und deren Preise auch er sich leisten konnte. Dafür waren die Damen nicht eben die frischesten.
Noch einen großen Schluck gönnte er sich. Dann lachte er hart auf. Er stellte sich Carmen vor, die nicht mehr seine Carmen war, aber er schaffte es nicht, sie zu verfluchen. Diese Worte wollten ihm einfach nicht über die Lippen.
Und dann passierte etwas, was bei ihm selten vorkam. Die Klingel schlug an.
Blacky zuckte zusammen, als hätte man ihm einen Stoß gegeben. Er wollte nicht aufstehen und öffnen, da hatte sich bestimmt jemand vertan, dann aber hörte er die Stimme vom Flur her. Dass er sie hörte, lag daran, dass er die Türen nicht geschlossen hatte und er glaubte auch, sich verhört zu haben.
»Aufmachen, wenn du da bist!«
Verdammt, das war sie, das war Carmen! Ja, er hatte sich nicht geirrt und machte sich auch nichts vor. Sie war es tatsächlich, und sie war zu ihm gekommen.
Er hörte wieder ihre Stimme. »Wenn du da bist, dann öffne die Tür!«
Blacky gab eine Antwort. Sie war nur zu leise, er verstand sie selbst kaum. Deshalb musste er Luft holen, um seine Stimme lauter werden zu lassen.
Jetzt schrie er die Antwort. »Ja, verdammt, ja, ich komme. Ich bin schon da.« Er sprang so heftig aus dem Sessel, dass er beinahe seine Ginflasche umgestoßen hätte.
Sein Herz klopfte wie verrückt. Er war mit wenigen Schritten an der Wohnungstür und riss sie auf.
»Darf ich reinkommen?«, fragte Carmen...
***
Blacky war so überrascht, dass er kein Wort hervorbrachte. Nicht mal einen
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