1760 - Tödliche Lockung
zuckte im nächsten Moment zusammen, denn er hatte einen Geruch wahrgenommen, der mehr ein Gestank war – der Gestank nach Verwesung...
***
Ich hatte Glück und traf den Professor noch im Flur des Krankenhauses.
In seiner dunklen Kleidung hätte ich ihn fast nicht erkannt. Zudem trug er noch einen schwarzen Hut. Als er mich sah, blieb er stehen und nickte mir zu.
»Sie können jetzt hoch, Mister Sinclair. Ich habe meiner Vertretung Bescheid gegeben.«
»Gut. Und wer ist das?«
»Doktor Abel Simmons. Er ist mein Vertreter und arbeitet hier als Oberarzt. Sie können sich in allen Belangen auf ihn verlassen. Er ist okay.«
»Das freut mich.«
Der Professor hatte noch etwas auf dem Herzen, das war ihm anzusehen, und ich fragte: »Ist noch etwas?«
Er winkte ab. »Ist nicht so wichtig. Ich wundere mich nur, dass Sie sich die nächsten Stunden um die Ohren schlagen wollen. Meinen Sie denn, dass es etwas bringt?«
»Das weiß ich nicht.« Ich war ehrlich. »Aber hin und wieder muss man über seinen eigenen Schatten springen. Außerdem ist Purdy Prentiss eine gute Freundin.«
»Dann darf ich Ihnen die Daumen drücken.«
»Dürfen Sie, Professor.«
Er nickte mir noch mal zu und verließ die Klinik. Wir beide hatten uns in der Nähe des Eingangs getroffen, ich ging in die andere Richtung und lief über das Treppenhaus nach oben. Auf halber Strecke stoppte ich, holte mein Handy hervor und rief Suko an, der nicht weit entfernt im Rover wartete und so etwas wie einen Horchposten bildete. Er wollte sich bei mir melden, sollte sich etwas Ungewöhnliches in der Nähe des Krankenhauses tun. Deshalb würde er nicht nur im Wagen bleiben, sondern auch den einen oder anderen Rundgang starten.
»Alles in Ordnung bei dir?«, fragte ich.
»Ja. Ich habe nur den Professor gesehen, wie er die Klinik verlassen hat.«
»Ich weiß. Ich habe noch ein paar Worte mit ihm gesprochen. Jetzt bin ich auf den Weg zu Purdy. Mal schauen, wie ich es mache. Ob ich in ihrem Zimmer bleiben kann oder mich vor die Tür setze.«
»Alles klar.«
Es gab zwischen uns nichts mehr zu sagen. Suko hätte eigentlich in seiner Wohnung bleiben können. Das wollte er mir nicht antun, denn er war ja bei den letzten Einsätzen schon nicht dabei gewesen.
Ich betrat den Bereich, den ich schon kannte. Es herrschte eine angenehme Ruhe. Auf dieser Station gab es keine Hektik, und es war auch genügend Personal vorhanden. Davon konnten die normalen Patienten in der Holzklasse nur träumen. Das Leben war leider wenig gerecht.
Ich suchte den Oberarzt, Doktor Simmons. Auch er hatte hier ein eigenes Büro. Die Tür war nicht geschlossen, ich hörte Stimmen, schaute in den Raum und sah den Arzt zusammen mit einer Schwester auf dem Schreibtisch sitzen. Beide verglichen irgendwelche Listen, aber sie waren schon durch und ließen ihre Blätter sinken.
Ich klopfte dezent und drückte die Tür weiter auf.
Die Schwester und auch der Arzt schauten mich an. Dr. Simmons lächelte, als er sagte: »Sie müssen John Sinclair sein.«
»Ja, das bin ich.«
»Dann kommen Sie bitte.«
Ein freundlicher Empfang. Auch die Schwester lächelte. Sie wurde mir als Rosy vorgestellt und war schnell verschwunden, um ihrer Arbeit nachzugehen.
Ich nahm ihren Platz ein, und Dr. Simmons nickte mir zu. Er war ein hagerer Mann mit einem Gesicht, das irgendwie einen traurigen Ausdruck aufwies. Das konnte auch an den Tränensäcken liegen, die sich unter seinen Augen abzeichneten.
»So, Sie wollen sich also die Nacht um die Ohren schlagen, habe ich gehört.«
»Nun ja, das steht noch nicht fest. Es kommt ganz darauf an, wie sich die Dinge entwickeln und ob sie sich überhaupt entwickeln. Jedenfalls möchte ich die Staatsanwältin nicht allein lassen. Sie hat Feinde, die zu allem entschlossen sind. Sonst würde sie nicht hier liegen.«
»Da stimme ich Ihnen zu. Es wird am besten sein, wenn Sie vor der Tür warten. Sie können ja hin und wieder einen Blick ins Zimmer werfen.«
»So habe ich mir das auch vorgestellt.«
Der Arzt lächelte. »Und einen Stuhl habe wir auch schon für Sie aufgetrieben.« Er deutete an mir vorbei. Als ich mich umdrehte, sah ich ihn in der Ecke neben der Tür stehen.
»Dann kann mir ja nichts passieren.«
Wir verließen beide das Zimmer. Den Weg kannte ich. Der Arzt gab mir noch einige Tipps. Ich wusste dann, wo ich mir etwas zu essen und zu trinken holen konnte. Als feste Nahrung gab es kleine Snacks, die allerdings nicht süß waren.
Man war ja mit allem
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