1768 - Maschtaren sehen alles
anderen zu schaden. Er tat ja viel Gutes für sie.
Dies zur Klarstellung dafür, was Gedeon unter Freundschaft verstand: eine auf emotioneller Ebene einseitige Angelegenheit.
Sie waren etwa im Alter von neunzehn Jahren und über die meisten Vorgänge in Hirdobaan und die Hintergründe dieses Geschehens informiert. Lediglich Gomasch Endredde blieb weiterhin ein Mysterium. Gedeon begann inzwischen daran zu zweifeln, daß die Maschtaren überhaupt wußten, wer oder was und wo der Einzige war. Doch das behielt er für sich.
Er saß oft mit Sheltor beisammen und diskutierte technische Probleme mit ihm. Dies einerseits, weil das die einzige Disziplin war, in der ihm Sheltor etwas zu sagen hatte, was er nicht besser wußte oder durchschaute. Andererseits aber auch aus Gefälligkeit, um Sheltor das Gefühl zu geben, sich für Gedeons Hilfestellungen revanchieren zu können.
„Ich habe mich schon oft gefragt, welchen Sinn die aufwendigen Handelskarawanen in ferne Galaxien haben", sagte Sheltor. „Ich meine, vom wirtschaftlichen Standpunkt. Wenn ich eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufstelle, dann kommt bei mir stets ein Defizit heraus. Rechne ich etwa falsch? Oder wie muß man es anstellen, um hinter diesem gewaltigen Aufwand einen Sinn oder Nutzen erkennen zu können? Kannst du mir das sagen, Gedeon? Du bist der Fachmann."
„Vielleicht auch nicht", erwiderte Gedeon in gütiger Nachsicht. „Ich meine, daß man diese Angelegenheit nicht vom kaufmännischen Standpunkt betrachten darf. Es ist richtig, daß jeder Oktant, der eine solche Karawane ausgerüstet hat, durch die unglaublich hohen Kosten an den Rand des Ruins geriet. Jeder Handelsfürst, dem Gomasch Endredde eine solche Ehre angedeihen ließ, brauchte stets mehrere Jahrzehnte, um sich davon wirtschaftlich zu erholen. Wo liegt also der Sinn eines solchen Aufwandes? Ich sage es dir: in technischer Innovation! Die Fremden brachten hochstehende Technik mit sich, die dazu diente, den Fortschritt in Hirdobaan anzukurbeln."
„Dann nenne mir, bitte schön, ein Beispiel, ein einziges bloß, wo die von Ungläubigen nach Hirdobaan gebrachte Ware wirklich für technische Innovation gesorgt hat", sagte Sheltor. „Ich meine, daß solche sich auf einen Oktanten positiv ausgewirkt hätte."
„Da nenne ich dir auf Anhieb den Grencheck-Oktanten", erinnerte ihn Gedeon blitzartig. „Vor achthundert Jahren kamen die Kschuschii nach Hirdobaan, um Gomasch Endredde zu huldigen.
Sie verschwanden wie alle Ungläubigen vor und nach ihnen spurlos. Ihre mitgebrachte Technik aber findet sich noch überall im Grencheck-Oktanten und wird bis zum heutigen Tag genutzt."
Sheltor griff sich ob solcher kindlicher Naivität verzweifelt an den Kopf.
„Aber was hat das gebracht?" rief er; er war in seinem Element. „Es ist doch kein Fortschritt, wenn man sich mit Geräten herumschlagen muß, die in Flüssigkeitstanks eingebettet sind und die sich nur bedienen lassen, wenn man dies innerhalb dieses WasserÖl-Gemisches tut. Umständlicher geht es wohl nicht mehr."
Gedeon mußte Sheltor in diesem Punkt recht geben, aber er war deswegen noch lange nicht geschlagen.
„Gut, dann klammere die Technik aus", sagte er. „Gehe einfach davon aus, daß es auf die Intelligenzen ankommt, die diese Technik nach Hirdobaan bringen. Sie sind die eigentlichen Objekte des Interesses. Denn sie sind es, die Gomasch Endredde auf ewig zu sich holt."
„Gut, aber sie haben für die einzelnen Oktanten keinen Nutzen", sagte Sheltor. „Und was bedeuten sie für Gomasch Endredde?"
„Diener", sagte Gedeon schlicht. „Sie erhalten nach der Ankunft in Hirdobaan den zweiten Kuß und werden Gomasch Endredde hörige, auf ewig treue Sklaven."
„Und auf welche Weise dienen sie ihm?"
„Du hast Fragen, Sheltor", meinte Gedeon kopfschüttelnd. „Stell sie mir, wenn ich einmal Maschtar geworden bin."
Bei einer anderen Diskussion ging es um die hochstehende Siegeltechnik, wie sie Gomasch Endredde in Hirdobaan ausschließlich zum Einsatz brachte. Aber nicht um philosophische Betrachtungsweisen, etwa warum Gomasch Endredde seine Völker auf diese Weise bevormundete, anstatt sie diese Technik weiterentwickeln zu lassen. Begründungen dafür gab es genug und fanden sich ausreichend in den Dokumenten über den Frieden von Pendregge, der den blutigen Kriegen in Hirdobaan ein Ende gemacht hatte. Sie erörterten vielmehr, weil dies Sheltors Fachgebiet betraf, ob diese Siegel tatsächlich ihren Zweck erfüllten, oder ob es nicht
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