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177 - Im Reich der Hydriten

177 - Im Reich der Hydriten

Titel: 177 - Im Reich der Hydriten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Brunnen.« Er holte Darmsehnen aus seinem Ledersäckchen, band damit die beiden Stöckchen an die Achsen und legte das Schilfrohr darauf. »Du wirst mich zu deiner Mutter führen. Ich muss mit ihr sprechen, bevor ich dich als meinen Schüler mitnehme.« Mit den Lederbändern befestigten sie das Gefährt an dem Tonesel. Der Junge strahlte und zog die rollende Last vom Brunnen weg in den Marktplatz hinein. Der Alte sah ihm nach, wie er auf den Knien davon rutschte und selbstvergessen sein neues Spielzeug anstrahlte.
    »Nimrod«, murmelte er. »Von Nimrod sollen sie einst Ruhmeslieder bis an die Küsten des Meeres im Norden singen.« Der Junge verschwand in der Menge. Der Alte wusste, dass er wiederkommen würde.
    Später erhob sich lautes Geschrei auf der breiten Straße. Menschen liefen zusammen und ruderten mit den Armen. Der Alte sah auf. Vom Osttor her schleppten zwei Männer eine Trage herbei. Auf ihr lag etwas, das augenblicklich die Aufmerksamkeit des Alten erregte: ein Halbwüchsiger, nackt und von grünlicher Färbung. Der Alte stand auf und ging den Männern mit der Trage entgegen. Er sah es bald: Es war kein Mensch, was sie da herantrugen!
    Eine Menschentraube bildete sich um die beiden Männer mit der Trage. Für sie gab es kein Durchkommen mehr, sie setzten ihre Last ab. Einige Priester und Priesterinnen eilten herbei, die Menge machte ihnen Platz. Das Stimmengewirr steigerte sich, Rufe der Angst und des Schreckens wurden laut. »Ein Gott!«, hörte der Alte irgendjemanden rufen. »Sie haben einen toten Gott gefunden!« Die Priester waren es, die das verkündeten.
    Viele Rücken versperrten dem Alten den Weg zu der Trage und dem Toten. Er hatte keine andere Wahl. »Lasst mich durch!«, befahl er. Er entblößte Haupt und Bart. Die Leute starrten ihn an, etwas wie Ehrfurcht trat auf ihre Züge. Sie bildeten eine Gasse. Er schritt hindurch und ging vor der Trage mit dem schuppigen Körper in die Hocke. Die Augen hinter der Schutzmembran waren grau angelaufen, die Schwimmhäute spröde und rissig.
    »Ihr Narren!«, rief der Alte an die Priester und Priesterinnen gewandt. »Habt ihr je von einem toten Gott gehört?« Es war ein Bruder, ohne Zweifel, und er war noch nicht lange tot. »Das ist eines jener Wesen, von denen die uralten Legenden berichten, halb Fisch und halb Mensch. Es ist ein Wassermann. Bringt ihn in den Palast, ich will, dass er dort begraben wird.«
    Die Männer hoben die Trage mit dem Toten auf und trugen sie davon. Die Priester und Priesterinnen folgten ihnen.
    Der Alte überlegte, was das bedeuten könnte: Ein junger Hydrit ohne Spuren eines Kampfes, ohne Verletzungen und dennoch tot. Es konnte nur eines bedeuten: Er, der Uralte, war nicht mehr der Einzige.
    Auch andere nahmen jetzt Menschengestalt an und mischten sich als Lehrer unter das Menschengeschlecht.
    »Er hat es mir gebastelt!«, rief eine Knabenstimme. Der Alte wandte sich zur Seite. Männer und Frauen standen um den Knaben und starrten sein Spielzeug an. »Er, der König Gilamesh hat das Scheibending für meinen Esel gebaut…!«
    ***
    Schwer und müde sanken seine Glieder in die bionetische Sesselform. Vollkommen passte sie sich seinem Körper an. »Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehnsüchtig wir euch erwartet haben.« Der Einstiegsspalt über ihnen wuchs zusammen, die Qualle sank unter die Wasseroberfläche. »Wohin tauchen wir?« Obwohl er die Sprache der Fischmenschen beherrschte, sprach Matt Englisch. Er wollte Vogler wenigstens die Chance geben, dem Gespräch zu folgen. Die Hydriten lasen die Bedeutung seiner Worte aus seinen Gedanken ab.
    »Nach Orbargol«, sagte der Hydrit mit dem gelblichen Schädelflossenkamm, der sich als Hog’tar aus Torkur vorgestellt hatte. »Das ist die größte unsere Städte in diesem Ozean, den deine Gattung den ›Indischen‹ nennt.« Sechs Konturen anderer Quallen zählte Drax in unmittelbarer Nähe.
    »Orbargol?« Matt Drax konnte sich nicht erinnern, den Namen je zuvor gehört zu haben. »Sagtest du nicht, ihr seid aus Torkur?« Vogler, rechts neben ihm, lauschte auf jedes Wort. Clarice Braxton dagegen, links neben Matt Drax, war vor Erschöpfung eingeschlafen; schon wenige Minuten, nachdem das Quallengewebe ihren Körper umschlossen hatte.
    »Xop’tul und ich sind aus Torkur, das stimmt. Torkur liegt in dem Teil des Nordmeeres, das ihr ›Behringsee‹ nennt.«
    »Das weiß ich«, sagte Drax. »Und was verschlägt euch in diese Gegend?« Die Qualle tauchte tiefer und

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