1771 - Im Taumel der Nacht
Zeugin.
Ganz zum Schluss glaubte Jane, noch die Fratze des Teufels gesehen zu haben. Und das war keine Täuschung. Aber dabei kam ihr auch ein Gedanke. Sie dachte daran, dass Serena es geschafft hatte, den Teufel zu besiegen oder zumindest einen seiner Helfer.
Dieser Gedanke tat ihr gut. Und damit ging sie wieder zurück in ihr Haus.
***
Serena war nicht nach oben gegangen, sondern in der unteren Etage geblieben. Jane fand sie in der Küche, wo sie am Tisch saß und ins Leere schaute.
In diesen Momenten kam sich Jane Collins in ihrem eigenen Haus beinahe wie eine Fremde vor. Deshalb klopfte sie auch an, bevor sie die Küche betrat.
Serena schaute hoch.
»Ich bin es nur«, sagte Jane.
»Okay.«
»Darf ich mich setzen?«
»Bitte. Warum fragst du? Es ist dein Haus, in dem du dich befindest.«
»Ja, schon.« Jane hob die Schultern. »Es ist in den letzten Minuten alles so anders geworden.«
»Nicht unbedingt.«
»Doch, doch. Und außerdem will ich mich bei dir bedanken, denn du hast mir das Leben gerettet.«
Serena drehte sich leicht nach links, um Jane anschauen zu können. Dabei lächelte sie. »Nein, wie kommst du darauf, dass ich dir das Leben gerettet habe?«
»Das spüre ich.« Jane setzte sich auf einen zweiten Stuhl. »Ich hätte es nicht geschafft. Der war mir über. Das war schrecklich. So etwas habe ich noch nie gesehen. So nackt, auch menschlich, aber er ist in Wirklichkeit kein Mensch.«
»Das stimmt.«
»Dann sag mir, wer er ist.«
Serenas Blick nahm einen ernsten Ausdruck an. »Es ist nicht einfach, es zuzugeben, aber ich möchte hier mit nichts hinter dem Berg halten. Er ist ein Geschöpf aus der Hölle. Dort geboren oder hergestellt, ganz wie du willst.«
»Das ist mir zu allgemein«, sagte Jane.
»Ich weiß.« Serena legte ihre Hand auf die der Detektivin. »Er ist ein Kannibale.«
»Was?« Janes Hand zuckte zurück.
»Ja, das ist so. Die Hölle schickt ihre schwersten Geschütze los. Er war ein Kannibale, und wir müssen davon ausgehen, dass er nicht der Einzige ist. Sagen wir es direkt: Die Cavallo ist möglicherweise mit Kannibalen unterwegs.«
Jane saß still. Sie brachte kein Wort mehr über ihre Lippen. Es war für sie ein Schock. Kannibale zu sein, das war grauenhaft, nein, es war schlimmer als das. Dafür fand sie einfach keine Worte. Sie fing an zu zittern und sie dachte nicht im Traum daran, sich zusammenzureißen.
Serena hob die Schultern. »Ich hätte es dir gern erspart. Aber es ist die Wahrheit.«
»Sie ist brutal«, flüsterte Jane.
»Ja, das ist sie.«
»Die Cavallo zieht alle Register.«
»Nur die Cavallo? Das ist die Frage, Jane.« Serenas Blick zeigte Nachdenklichkeit. »Ich denke, sie hat die entsprechende Unterstützung. Matthias dürfen wir nicht vergessen.«
»Ja.« Jane blies die Luft aus. »Aber du hast unseren Besucher getötet.«
»Sicher.«
»Und ich sah, wie er verschwand.«
Serena lächelte. »Hat die Hölle oder der Teufel ihn geholt?«
»Ich würde sagen, dass es mehr der Teufel gewesen ist. Der Helfer löste sich auf. Zum Schluss zeigte sich die dreieckige Teufelsfratze. Ich kenne den Grund nicht, aber ich habe mich auch nicht geirrt.«
»Er will seine Macht beweisen, das ist es.«
»Aber du bist so etwas wie ein Gegenpart gewesen.«
»Stimmt.«
Jane Collins fühlte sich wieder etwas entspannter und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Noch immer kam sie mit dem Ende des Kannibalen nicht ganz klar.
»Was hast du getan? Wie hast du es geschafft?«
Serena zögerte mit der Antwort. Sie lächelte nur ein wenig und meinte: »Ich habe ihn totgesprochen.«
Jane hatte die Antwort gehört, sagte aber nichts, sondern blieb starr sitzen. Erst nach einer Weile konnte sie sprechen. »Totgesprochen?«, flüsterte sie.
»Ja, so ist das.«
Jane atmete schneller. »Aber wie – aber wie – ist das möglich? Wie hast du das gemacht?«
Serena schaute sie schräg an. »Nun ja«, sagte sie dann, »du darfst nicht vergessen, wer ich bin.«
»Für mich ein Wunder.«
»Na ja, so schlimm ist es auch nicht. Aber man nennt mich nicht umsonst die Heilige. Ich war auch eine Heilerin, was damals vielen Menschen nicht gepasst hat. Man wollte mich sogar vergiften. Ich habe den Trank auch zu mir genommen, aber ich hatte mächtige Beschützer aus einer anderen Welt. Es waren die Geister der Heiligen, die mich auch mit den besonderen Kräften ausgerüstet hatten. Sie frischten mein Blut auf. Ich hätte damals schon in ihren Kreis aufgenommen werden können, doch
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