1774 - Ranjas Rudel
versehen und mussten nicht unbedingt ins Gepäcknetz gehoben werden. Es gab genügend freie Sitze, die als Abstellfläche dienen konnten.
Und auch für die Frau war noch ein Sitz frei geblieben. Mir gegenüber nahm sie Platz.
»Sie fliegen nicht, Mister?«
»Ging ja wohl nicht.«
»Haben Sie recht. Müssen Sie auch nach London?«
»Ja.«
»Ich auch. Da sind wir ja einige Zeit zusammen. Mein Name ist übrigens Kate Milton. Ich fahre nach London, um meine Enkel zu besuchen, die dort studieren. Mal sehen, was die Burschen so machen, oder ob sie mir was vorspielen, wenn ich komme.«
Ich musste grinsen. Mir gefiel die Frau, die sicherlich mehr als siebzig Jahre zählte. Bekleidet war sie mit einem dunkelroten Kostüm. An den Füßen trug sie Schuhe mit Blockabsätzen und auf dem grauen Kopfhaar saß eine ebenfalls rote Kappe.
Da sie sich vorgestellt hatte, erfuhr sie auch meinen Namen. Sie stutzte und fragte sofort nach. »Schotte?«
»Nicht wirklich. Meine Eltern stammen aus Schottland. Ich bin in London aufgewachsen.«
»Aha. War ja nur wegen des Namens.«
Ich war im Moment nicht ganz auf der Höhe. »Was meinen Sie?«
»Meine Frage.«
»Klar, das stimmt schon.«
Kate Milton kramte in ihrer Tasche herum. Dabei sagte sie kein Wort, was mir schon entgegenkam. Ich hätte gern meine Ruhe gehabt auf der Fahrt. Das war jetzt nicht mehr möglich, denn ich glaubte nicht daran, dass Kate Milton den Mund halten würde. Sie war eine Person, die gern redete und sicherlich froh war, jemanden zu haben, mit dem sie das konnte.
In ein anderes Abteil wollte ich trotzdem nicht gehen. Es konnte ja sein, dass unsere Unterhaltung sogar interessant wurde. Da hatte ein jeder was zu bieten.
Sie kramte nicht lange in ihrer Tasche herum. Ich schaute derweil aus dem Fenster, ohne viel erkennen zu können. Dafür malte sich das Abteil in der Scheibe ab. Unter anderem auch die ältere Frau, die jetzt das gefunden hatte, was sie suchte.
Es war eine Plastikdose. Zwei Hälften lagen aufeinander und waren luftdicht verschlossen. Die Dose öffnete Kate noch nicht. Sie warf mir zuvor einen Blick zu, nickte und griff noch mal in die Tasche. Auf ihrem Gesicht zeigte sich ein Gefühl der Zufriedenheit, als sie die Thermoskanne neben die Plastikdose stellte, dabei nickte und noch mal in die Tasche griff.
Zwei Becher holte sie auch noch hervor. Dabei schaute sie mich an.
»Sie trinken doch einen Schluck Kaffee mit?«
Ich lächelte. »Wenn Sie mich so fragen, hätte ich nichts dagegen.«
»Fein, John. Ich darf Sie doch so nennen – oder?«
»Gern.«
»Sie können auch Kate zu mir sagen.«
»Mach ich doch glatt.« Allmählich bekam ich Spaß an meiner Mitreisenden.
Sie amüsierte mich und ich sah, dass sie mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf die Dose klopfte.
»Man lobt mich immer für meine kleinen Zwischenmahlzeiten«, erzählte sie. »Und heute habe ich eine eingepackt, an der ich Sie teilhaben lassen möchte.«
»Aha. Und worauf muss ich mich da einstellen?«
»Auf frische Sandwichs.« Sie klopfte noch mal auf den Dosendeckel. »Wirklich, John, die sind super. Ich habe sie selbst belegt. Sie müssen nur schnell gegessen werden, sonst verliert der Salat seine Frische.«
Ich nickte nur.
»Und der Kaffee ist auch gut. Halten Sie mal, bitte.« Sie reichte mir die beiden Becher.
Ich hielt sie fest und schaute zu, wie Kate sie mit Kaffee füllte. Der Duft stieg mir in die Nase, und da lief mir das Wasser im Mund zusammen.
»Ich habe nur keinen Zucker und keine Milch...«
»Das ist auch nicht nötig, Kate. Er wird mir auch so schmecken. Das Aroma ist schon stark.«
»Genau das meine ich auch. Ich will nicht groß angeben, aber der Kaffee ist meine private Mischung. Ich lasse sie mir immer zusammenstellen und kann ihn dann so richtig genießen.«
»Finde ich toll.«
»Ja, in meinem Alter muss man sich schon etwas gönnen.« Sie öffnete die Dose. Zwei Hälften lagen jetzt auf ihren Händen. Eine bekam ich gereicht.
»Bitte.«
»Danke sehr.«
»Dann lassen Sie es sich schmecken.«
»Ich denke, das werde ich.«
Kate Milton hatte die Häppchen gut belegt. Eine helle Soße bedeckte den Boden der unteren Hälfte. Salat, Putenfleisch und Gurkenscheiben sorgten für den Belag. Alles sah wirklich frisch aus. Ich biss hinein und war froh, das angebotene Mahl nicht abgelehnt zu haben. Es schmeckte mir ausgezeichnet. Es war schon ein Unterschied, wenn man sich ein Sandwich selbst bastelte oder ihn irgendwo kaufte. Hier schmeckte
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