1780 - Blick in die Hölle
Bill.
»Ich muss mich konzentrieren.«
»Und weiter?«
»Hast du nichts gesehen?«
»Ja, schon, aber sehr schwach.«
»Stimmt, nur steckt in dieser Schwäche auch eine bestimmte Stärke, darauf kannst du dich verlassen.«
»Wie meinst du das denn?«
»Mein Kreuz hat mich gewarnt.«
Bill schaute mich starr an.
»Alles klar?«, fragte ich.
»Ja. Dann ist es wohl wahr. Wenn das Kreuz dich warnt, kann vor uns nur etwas Dämonisches sein.«
Auch Johnny hatte uns zugehört. Er sagte: »Ich habe es doch gesagt. Hier ist nicht alles, wie es scheint. Hier hat sich ein Tor geöffnet. Wir können jetzt in die Hölle schauen. Wenigstens sagt man das. Und ich habe recht behalten.« Er nickte heftig.
Wir konzentrierten uns wieder auf das Bild. Es hatte sich nicht verändert. Der riesige Mond schwebte über dem Land, bei dem die Berge besonders auffielen. Wir sahen auch den Turm an der rechten Seite, und dann erschien die Gestalt. Sie bewegte sich langsam und stahl sich förmlich um die Ecke.
Johnnys Arm schnellte in die Höhe. »Da ist er. Das ist der Unheimliche mit den kalten Augen! So habe ich ihn gesehen, und jetzt werden wir erfahren, wer er wirklich ist.« Auch er stand auf und machte den Anschein, als wollte er auf die Mauer zulaufen, um den Typ mit den blauen Augen anzusprechen.
»Nicht doch.« Ich hielt ihn fest. »Bleib erst mal hier wie wir auch.«
»Ja, ja, aber ihr seht, dass ich mich nicht geirrt habe. Es gibt diese Gestalt.« Johnny war richtig froh darüber.
Allerdings musste ich zugeben, dass die Gestalt nicht unbedingt präsent war. Wir hatten sie für einen Moment gesehen, dann war sie wieder verschwunden.
Jetzt mussten wir warten, bis sich die Gestalt erneut zeigte. Ich hörte Bill sprechen. »Was ist, wenn er wieder auftaucht? Hast du dir schon was ausgedacht?«
»Noch nicht. Aber ich werde handeln, wenn es so weit ist.«
»Okay, warten wir ab.«
Wir behielten besonders die rechte Seite des Bildes im Auge. Da würde sich etwas tun, das hatte zumindest Johnny so erlebt.
Es kam zu keiner Veränderung. Das Bild blieb starr. Ob es mit der Wand verschmolzen war oder ob die Wand überhaupt noch vorhanden war, konnte ich nicht sagen. Aber es war möglich, dass es kein Bild war, das wir sahen, sondern eine dreidimensionale Landschaft, ähnlich wie eine in dieser Welt.
Dann stellte sich die Frage, ob sie auch betreten werden konnte, und zwar von unserer Seite aus. Für mich war das entscheidend, denn nur, wenn das möglich war, konnte ich die Gestalt zu fassen kriegen.
Johnny hatte von den blauen Augen berichtet. Sie mussten folglich so intensiv sein, dass sie selbst von dieser Stelle aus gesehen werden konnten.
Ich war gespannt.
Und wir wurden nicht länger auf die Folter gespannt.
Plötzlich war alles anders. An der rechten Seite passierte es. Dort malte sich die Gestalt ab, die auf dem Fleck stand und wie eine Drohung wirkte. Sie erinnerte mich an den Schwarzen Tod.
Sie trug einen dunklen Mantel oder eine Kutte, die noch über die Füße hinweg reichte und sich auf dem Boden ausgebreitet hatte. Über den Kopf hatte sie eine Kapuze gestreift, das Gesicht lag zwar frei, war aber trotzdem nicht zu sehen. Im Hintergrund ragte der Turm hoch.
Ich drehte mich zu Johnny Conolly um. Bevor ich eine Frage stellen konnte, nickte er schon.
»Ja, so hat die Gestalt ausgesehen, John. Sie ist wieder da. Jetzt kannst du versuchen, sie herzulocken. Ich will mit ihr nichts zu tun haben.«
»Gut, dass du das sagst, Johnny, aber lass uns mal weiter beobachten. Von den blauen Augen habe ich noch nichts gesehen.«
»Sei froh.«
»Das muss ich aber. Denn so weiß ich nicht, ob ich es mit Matthias zu tun habe.«
»Hast du denn schon einen Plan?«
Ich nickte und hob meine Stimme etwas an. »Ich habe eine Idee. Und die ziehe ich allein durch.«
Sofort hörte ich Bill lachen. »Da kann ich mir schon denken, wie die Idee aussieht. Du willst zu ihm.«
»Zumindest bis an die Wand. Aber du bleibst hier, Bill.«
»Warum?«
»Weil es ins Auge gehen kann. Wir wissen nicht, welche Magie uns erwartet, und ich möchte nicht, dass dir was passiert.«
»Jetzt redest du schon wie Sheila.«
»Weil ich es gut mit dir meine. Wie auch deine Frau. Also bleib der Wand fern.«
Bill funkelte mich an. Er stimmte schließlich zu, und wir konzentrierten uns wieder auf das Bild, das kein normales war. Die Gestalt war noch immer vorhanden. Sie hatte eine Stütze gefunden und hielt mit der linken Hand den Griff einer Sense fest,
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