1780 - Blick in die Hölle
deren Klinge leicht rötlich schimmerte, als wäre sie in Blut getaucht worden.
Nein, so hatte der Schwarze Tod nicht ausgesehen. Auch seine Sense war größer gewesen.
Plötzlich bewegte sich der Kuttenträger. Es waren nur kleine und auch wenige Schritte, die er nach vorn ging, was auch seinen Grund hatte. Er schob mit der rechten Hand die Kapuze zurück, sodass sie sein Gesicht nicht mehr verdeckte.
Ich sah ihn an.
Ein Augenpaar, das in einem kalten Blau leuchtete!
Ich kannte ihn.
Es war tatsächlich Matthias!
***
Für mich war es keine Überraschung mehr. Auch wenn ich nicht den ganzen Körper sah, stand für mich fest, dass es Matthias war, der sich in der Kutte verbarg.
Er tat nichts. Er stand auf der Stelle. Sein Gesicht und damit sein Blick war nach vorn gerichtet. Wenn man so wollte, dann auch auf uns.
Von Johnny Conolly hörten wir zuerst ein Lachen. Danach kam die Erklärung. »Ja, das ist er. So habe ich ihn gesehen. Die Augen, dieser Blick, er kann dir schon wehtun.«
»Aber er hat dich nicht unter seine Kontrolle gebracht?«
»Nein, ich habe nur Angst bekommen und bin weggerannt. Dann muss Matthias die Hölle sein.«
So konnte man es sehen. Es musste aber nicht so sein. Und wenn, dann war es nur ein kleiner Teil der Hölle, den sich Matthias angeeignet hatte. Aber so spielte das Leben. Vor ein paar Stunden hatte ich noch im Bett gelegen und an nichts Böses gedacht, und jetzt wurde ich mit dem Grauen konfrontiert, das eigentlich nicht nach einem Grauen aussah, aber eine starke Gefühlskälte in sich barg, die menschliche Wesen in Verzweiflung treiben konnte.
Der Mann mit der Sense stand da, und wir hielten uns ihm gegenüber auf. Keiner von uns wusste so recht, was er tun sollte.
Bill deutete nach vorn. »Ist das die Realität, die wir sehen, John?«
»Nein und ja.«
»Wie meinst du das?«
»Es gibt nicht nur eine Realität, auch eine zweite, und ich sehe die Hölle als eine zweite Realität.«
»Immer?«
»Ja, es gibt sie, aber sie hat kein einheitliches Aussehen. Sie kann sich wandeln. Und sie kommt den Menschen entgegen. Wenn sie sich die Hölle so und so wünschen, tut Asmodis oder wer auch immer ihnen den Gefallen.«
Bill hob nur die Schulten und fragte dann: »Und was tun wir jetzt?«
»Ihr geht.«
»Was?«
»Es ist besser, Bill, wenn ihr das Hexenhaus verlasst.«
»Und du willst versuchen, an Matthias heranzukommen, obwohl du weißt, dass deine Chancen auch nicht die besten sind?«
»Ich muss es tun. Das hier ist eine Provokation, die kann ich nicht so einfach auf sich beruhen lassen.«
Bill Conolly stöhnte auf. Ich wusste, wie schwer es ihm fiel, meinem Verschlag zuzustimmen. Aber ich wusste nicht, was mich noch alles erwartete. Okay, die Welt war sichtbar. Ob Hölle oder nicht, aber konnte man sie auch betreten? Genau das musste ich herausfinden. Möglichweise war diese Wand gar nicht fest, sondern der Zugang in eine andere Dimension.
Ich hörte, dass mein Freund mit den Zähnen knirschte. Es ging ihm gegen den Strich, und auch sein Sohn Johnny schaute nicht eben begeistert.
»Und?«, fragte ich.
»Okay«, sagte Bill. »Es ist in Ordnung. Ich sehe ein, dass etwas getan werden muss, aber ich möchte auf einen Kompromiss hinaus.«
»Und der lautet?«
Bill sah mich leicht lauernd an. »Du gehst, und wir bleiben hier. Wir haben schon einiges gemeinsam durchlitten, John, und ich würde dich gern im Auge behalten.«
»Danke, dass du so besorgt um mich bist. Einverstanden. Ihr bleibt hier und schaut zu, ob ich es wirklich schaffe. Sollte das wirklich nur eine normale Wand sein, dann habe ich Pech gehabt. Aber irgendwie kann ich nicht daran glauben.«
»Okay, probiere es aus.«
Ich ging zur Seite. Ab jetzt war für mich nur noch die Wand wichtig. Sie sah fest aus. Als hätte man sie bemalt. Aber ich hatte schon oft genug erlebt, dass Dinge, die fest aussahen, doch durchlässig waren. Dabei handelte es sich dann um transzendentale Tore, durch die man von einer Dimension in die andere gelangte.
An Maggy Cole verschwendete ich nur einen kurzen Gedanken. Ich fragte mich, wie weit sie eingeweiht war. Wir hätten sie zuvor fragen sollen. Jetzt wollte ich nicht mehr zurück. Mein Weg führte nur nach vorn.
Der Blick in die Hölle blieb bestehen. Es hatte sich nichts verändert. Auch der Kuttenmann mit den stahlblauen Augen war noch da.
Steckte wirklich Matthias dahinter?
Das war die große Frage. Eigentlich hatte es Matthias nicht nötig, so aufzutreten. Er brauchte
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