1783 - Luzifers böser Amor
Und das tat er auch.
Glenda verfolgte jede seiner Bewegungen. Sie wollte erkennen, was auf sie zukam.
Es war logisch.
Zuerst sah sie den Bogen. Mit der freien Hand holte er die Pfeile aus dem Köcher. Es waren nur zwei, die anderen ließ er stecken.
Er lächelte.
Dann nahm er einen Pfeil, legte ihn auf die Sehne und spannte sie.
Glenda Perkins wusste, dass dieser Besucher bestimmt nicht daneben schoss.
»Willst du mich töten?«, fragte sie.
»Nein.«
»Was dann?«
»Ich werde es wie bei den anderen machen. Ich werde dich mit einem Pfeil spicken und dir so eine Botschaft in den Körper schicken. Du wirst sie annehmen, und du wirst sehen, dass es gar nicht so schlimm ist, von einem Pfeil getroffen zu werden. Er braucht ja nicht in deinem Körper stecken zu bleiben, du kannst ihn sehr leicht entfernen. Einfach nur rausziehen. Das ist alles.«
»Und was geschieht dann?«
»Nicht viel zunächst. Aber irgendwann wirst du feststellen, dass du auf meiner Wellenlänge liegst. Du wirst andere Gedanken bekommen. Du wirst dir sagen, dass die Menschen in deiner Umgebung nichts taugen und dass es am besten ist, wenn man sie vernichtet. Ja, und dann wirst du die große Vernichterin sein. Oder auch Töterin.«
»Bei wem denn?«
»Hier, bei deinen Chefs. Die kannst du als Erste töten. Danach geht es weiter...«
Glenda wollte nichts mehr hören. Sie glaubte dem Amor jedes Wort. Sie musste etwas dagegen tun. Auf keinen Fall sollte er seinen Plan in die Tat umsetzen können.
Sie dachte nach, und sie wusste um ihre besondere Kraft. Viel zu oft hatte sie negativ darüber gedacht.
Der Amor legte bereits an. Er spannte die Sehne noch mehr. Der Pfeil lag auf, und auf diese Entfernung konnte er nicht vorbeischießen. Es hatte auch keinen Sinn, wenn sie sich duckte. So schnell konnte sie gar nicht sein, und plötzlich war ihr klar, dass sie sich in Lebensgefahr befand. Jetzt nutzte ihr auch die neue Kraft in ihrem Innern nicht mehr.
Der Pfeil verließ die Sehne.
Glenda hörte noch das Sirren, sie spürte einen Luftzug und erwartete, dass der Pfeil sie traf...
***
Das trat nicht ein.
Erst als sie das Lachen hörte, war ihr klar, dass sie noch lebte. Dass sie atmen konnte, dass sie hörte, was gesprochen wurde, und dass die Stimme sie meinte.
»Es war nur ein Warnschuss. Ich wollte dir nur zeigen, dass du gegen mich und meine Pfeile keine Chance hast...«
Glenda fiel ein, dass sie die Augen noch geschlossen hielt. Jetzt öffnete sie sie langsam und sah den Amor noch immer an derselben Stelle stehen.
Er hatte den Bogen sinken lassen und hielt auch keinen Pfeil in der Hand.
Glenda sagte nichts. Sie drehte sich um und schaute zur Wand neben der Tür. Darin steckte der Pfeil. Er war durch die Tapete in das Mauerwerk gefahren.
Er zitterte noch immer leicht nach.
Der Amor zauberte ein kaltes Lächeln auf sein Gesicht. Er sagte mit einer lässig klingenden Stimme: »Den nächsten Pfeil werde ich nicht so hart abschießen. Allerdings hart genug, damit er in deinen linken Oberschenkel fährt. Das ist die beste Stelle, dort wirst du dann den Beginn der Verwandlung erleben.«
Glenda hörte zu, doch ihre Gedanken bewegten sich in eine ganz andere Richtung. Wie kam sie hier raus? Was tun?
Sie wollte auf keinen Fall mit ihm reden. Nur nicht ablenken lassen. Lieber den eigenen Gedanken und der vollen Konzentration nachgehen, solange sie es noch konnte. Die starke Angst musste überwunden werden. Erst dann konnte sie sich konzentrieren.
Das schaffte sie.
Glenda blieb auf dem Fleck stehen. Sie war wieder in der Lage, den eigenen Gedanken nachzugehen, und das war wichtig. Zudem musste sie sich nur auf die eine Aktion konzentrieren.
Glendas Blicke richteten sich nicht auf den Amor, sie schaute an ihm vorbei und bemühte sich, ihre Konzentration so schnell wie möglich zu finden. Sie musste zu einem anderen Menschen werden. Sie musste alles andere außen vor lassen und nur an sich und ihre Rettung denken.
Es klappte. Es war alles um sie herum gleich geblieben, aber für Glenda hatte sich die Welt verändert. Sie bestand jetzt nur noch aus einem Ausschnitt.
In ihm zeichnete sich der Amor ab. Er mochte so aussehen wie immer, nicht aber für sie. Da war er schmaler geworden, und sie sah darin genau das, was sie wollte.
Ihre Sicht hatte sich verengt. Es war der Beginn des Verschwindens. Sie konnte sich bald wegbeamen, dann würde sie von einem Augenblick zum anderen verschwunden sein.
Aber es klappte nicht sofort, obwohl sich
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