1789 - Der Fluch aus dem Norden
fragen, wie ein solcher Segen aussieht?«
Raniel nickte. »Das darfst du. Er will hier alles segnen.«
»Dann hat er aber viel zu tun«, meinte Suko.
Raniel schüttelte den Kopf. »Nimm es nur nicht zu leicht«, sagte er warnend. »Dieser Andrax hat Macht, und er ist etwas Besonderes, das muss ich auch sagen.«
»Was ist er denn?«
Raniel hob die Schultern. »Es ist kein Engel. Er ist kein Mensch, er ist eigentlich nichts von allem.«
»Aber er muss doch etwas sein«, sagte Suko.
»Ja, das ist er auch. Du kannst ihn als einen Gestaltwandler bezeichnen. Das ist er.«
Suko und ich schauten uns an. Mit dieser Antwort oder Erklärung hatten wir nicht gerechnet. Der Begriff Gestaltwandler war uns nicht neu. Das waren Personen oder Wesen, die andere Gestalten annehmen konnten.
»Oder ist er eine Kreatur der Finsternis?«, fragte ich.
»Nein, das ist er nicht. Ich habe euch von einem Gestaltwandler erzählt. Er kann in verschiedenen Gestalten auftreten, damit muss man bei ihm rechnen.«
»Auch als Frau?«, fragte Suko.
»Ja, ihm ist alles möglich.«
Mein Freund nickte mir zu. »Da hast du es, John. Denk an den Parfümgeruch.«
Ja, daran hatte ich bereits gedacht, und ich fragte mich, welche Spezies schlimmer war. Eine Kreatur der Finsternis oder eben dieser Gestaltwandler?
Auch die Kreaturen der Finsternis mordeten. Sie sahen aus wie Menschen, es gab sie schon seit Äonen und sie hatten es geschafft, sich den Menschen anzupassen. Sie sahen aus wie Menschen, doch ihr wahres Gesicht gab es auch noch. Es war nur verborgen, und nur bei gewissen Gelegenheiten zeigten sie es offen. Das konnten dann schreckliche Monster sein.
Und jetzt die Gestaltwandler. Wenn ich Raniel richtig verstanden hatte, dann waren sie in der Lage, das Aussehen mehrerer Gestalten anzunehmen.
Ich wollte es genau wissen und erkundigte mich danach.
»Ja, du hast recht. Sie können nicht nur in einer bestimmten Gestalt erscheinen, sie sind in der Lage, sich welche auszusuchen.«
»Das ist schlecht.«
»Ich weiß, John.«
»Und was ist mit dir? Erkennst du sie, egal in welcher Gestalt sie sich zeigen?«
»Manchmal ja, manchmal nicht. Sie sind sehr raffiniert.«
So etwas hörte sich nicht gut an. Ich wusste ja, wie stark Raniel war und dass er sich nicht so leicht etwas vormachen ließ.
»Dann müssen wir ihn eben suchen«, sagte Suko. »Und immer gut die Augen aufhalten.«
»Du sagst es.«
»Und was will er wirklich?«, fragte Suko.
»Tote. Viele Tote. So viele wie möglich. Es ist für ihn der Segen der Hölle.«
»Und wir sind bisher von ihm verschont geblieben.«
»Ja – noch.«
»Wir könnten ihn doch locken – oder?«, fragte ich.
»Das wird schwer werden, denn in der Regel hält Andrax die Zügel in den Händen.«
»Sollen wir denn kapitulieren?«
»Nein, das auch nicht. Ihr seid zu zweit, und ihr müsst schnell sein. Wenn ihr ihn seht, darf es kein Zögern geben. Direkt volles Rohr.«
Ich nickte. Das hörte sich alles recht gut an. Ob es möglich war, das zu realisieren, musste sich erst noch ergeben.
»Wie können wir ihn stellen?«, fragte ich.
Raniel lachte auf. »Frag eher, wie wir ihn finden können, und denk daran, dass er ein Gestaltwandler ist. Du weißt nie, wie er aussieht.«
»Ja, das ist ein Problem.«
Suko mischte sich ein und fragte: »Könnte es denn sein, dass er uns sucht?«
Raniel überlegte nicht lange. »Ja, das ist möglich. Ich denke aber, dass er zunächst noch andere Dinge in Bewegung setzen wird. Dass er sich den Weg freimacht.«
»Also noch mehr Morde«, sagte ich.
»So kann man es sehen.«
»Und wen?«, fragte Suko.
Raniel hob die Schultern. »Tut mir leid, das könnt ihr mich nicht fragen. Da kann ich dir keine Antwort geben.«
»Wer ist denn wichtig für ein Schiff?«
»Unter anderem der Kapitän.«
Ich schaute Suko an. »Genau der. Du hast recht. Der Kapitän ist wichtig. Er ist der Chef. Er sagt, wo es langgeht. Seinen Anordnungen ist Folge zu leisten.«
»Und wenn er nicht mehr da ist«, sagte Suko, »dann gibt es noch seinen Stellvertreter, den Ersten Offizier. Wir müssen davon ausgehen, dass er sich ebenfalls in Gefahr befindet.«
»Dann solltet ihr vielleicht beide Männer einweihen«, schlug der Gerechte vor.
Der Meinung waren wir auch.
»Und wo finden wir sie?«, fragte ich.
»Auf der Brücke«, sagte Raniel.
Ich dachte kurz nach. Das konnte ich nicht unterschreiben. Der Kapitän hatte auf uns bei der letzten Begegnung nicht den Eindruck gemacht, dass er auf die
Weitere Kostenlose Bücher