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179 - Gefangene der Traumzeit

179 - Gefangene der Traumzeit

Titel: 179 - Gefangene der Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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dass sie in letzter Sekunde das Weite suchte und lieber elendig verendete, als für das Licht der Welt zu kämpfen.
    Die Söldner seilten sie langsam ab. Als Aruulas Füße die Höhe des Rohrs erreichten, toste der Strom unter ihr so laut, dass sie ihren eigenen Herzschlag nicht mehr hörte. Schon war die schwarze Öffnung vor ihr. Das Loch war etwa eineinhalb Meter breit und ebenso hoch. Das linke Drittel des Schachtes sah aus wie eine ins Gestein gehauene Treppe; der Rest war eine warzenförmige Rutsche.
    Dann hörte Aruula die rufenden Stimmen Yasefs und Theopheels. Die beiden standen auf dem glitschigen Untergrund der Treppenstufen und winkten ihr zu.
    Aruula fing vorsichtig an zu schaukeln und schwang ins Rohr hinein. Yasef packte sie und Theopheel löste schnell das Seil von ihrem Gurt.
    Während die Männer auf den Grafen warteten, stand Aruula mit gezogenem Schwert hinter ihnen auf der Treppe und lugte in den Schacht hinauf. Wenn man sich duckte, konnte man sich hier einigermaßen bewegen. Außerdem war an der Wand eine Art Geländer befestigt.
    Ein mörderischer Gestank drang auf sie ein. Die Pest hätte nicht ätzender stinken können! Aruula musste sich zusammenreißen, um nicht in den Abgrund zu speien.
    »Chrrrr-chrrr-chrrr…«
    Ihre Muskeln spannten sich. »Ist da jemand?«
    Theopheel wisperte neben ihr: »Vor drei Tagen ist das erste Kommando hier runter… Es sollte die Lage auskundschaften. Man hat nur einen der Burschen wieder gesehen. Er ist ohne Kopf aus dem Rohr gerutscht und in den Abgrund gestürzt.«
    »Na, wunderbar…« Aruula schluckte, kniff die Augen zusammen und spähte in die Finsternis.
    Leider wusste niemand, was sie hier erwartete und wie die Möglichkeiten standen, aus der Turmkloake in jene Räumlichkeiten aufzusteigen, in denen Xordimor und seine Helfershelfer lebten.
    »Was schwatzt Ihr da?«, hörte Aruula den Grafen vom Einstieg her rufen. »Seid gefälligst wachsam!«
    Zugleich blitzten in seinen und des Hauptmanns Händen organische Leuchtknollen auf. In ihrem Licht konnte man etwa zwei Meter weit ins Rohr hineinsehen.
    Zarrat eilte mit blitzenden Augen heran. Sein Tornister schien ihm keine große Last zu sein. Er deutete nach vorn, wo ihnen ein unförmiger Haufen die Sicht versperrte. »Los, vorwärts, Theopheel, worauf wartet Ihr? Seid Ihr nun unser Köder oder nicht?«
    Theopheel zog den Kopf ein. »Mich dünkt…«
    »Papperlapapp!« Graf Zarrat schritt mutig vorneweg, die Leuchtknolle in der einen, den Dornspeier in der anderen Hand. »Das ist doch nur ein Haufen Müll!«
    Köder? Geringschätziger konnte man einen Menschen nicht bezeichnen. Aruula empfand Mitleid mit dem kleinen Mann, über dessen Fähigkeiten man in diesem Lager wohl einer Meinung war: Die Wachen am – immer noch gleich hohen –Feuer hatten bei seinem Erscheinen Fratzen geschnitten und hinter seinem Rücken unterdrückt gelacht.
    »Seht ihr?« Schon erhellte des Grafen Leuchte einen Stapel aus bemoosten Holz-, Stoff- und Kadaverresten, auf denen sich Maden und schleimige Lurche ein Stelldichein gaben.
    Obenauf saß eine große Ratze, glotzte verdattert ins Licht und stieß einen durchdringenden Pfiff aus.
    Auf der Stelle fing es neben, über und unter ihnen an zu rascheln.
    »Ratzen!«, schrie Zarrat. Schon puffte sein Dornspeier los. Er war ein Meisterschütze. Das Geschoss durchbohrte das linke Auge des Nagers und warf ihn quiekend in die Rutsche, sodass er gleich darauf zuckend in den Abgrund sauste.
    Der Todesschrei der Ratze schien die gesamte einheimische Population in Hysterie zu versetzen: Schon zirpte, kreischte und randalierte alles, was hier hauste oder nächtigte.
    Aufgeschreckte Vögel, die verzweifelt den Ausgang suchten, zwangen das Himmelfahrtskommando, sich zu ducken oder hinzuwerfen. Panische Ratzen eilten fiepend in ihre Löcher.
    Fliegende und krabbelnde Insekten verfingen sich in aufgespannten Spinnennetzen, deren Erbauer zeitgleich von hustenden und spuckenden Menschen erschlagen oder zertreten wurden, die über den schleimigen Haufen hinweg die Treppe hinauf eilten.
    Einige Meter weiter verschnauften sie aufgeregt auf dem glitschigen Boden. Der Geruch war hier noch übler: Stinkende Rinnsale wälzten sich die Rutsche hinab. Es war eine Qual, sich einen Weg durch den Kot und die Knochen von Generationen der Viecher zu bahnen, die hier verendet waren.
    Überall, wohin Aruula trat, knirschte und knackte es.
    Würmer und Maden ringelten sich im Schein ihrer Leuchtknollen. Kleine

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