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179 - Gefangene der Traumzeit

179 - Gefangene der Traumzeit

Titel: 179 - Gefangene der Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Bestien mit langen Zähnen, die man noch nie gesehen hatte, wieselten an den Wänden entlang, rannten irgendwelchen Spalten entgegen oder verkrochen sich in den Dung- und Misthaufen.
    Aruula ahnte, wie die Abfallentsorgung des Turms vonstatten ging. Vermutlich warfen die Bewohner ihren Müll einfach in einen Schacht, der senkrecht durch das Bauwerk verlief.
    Sie erreichten einen fast eben verlaufenden Abschnitt, und als Hauptmann Yasef die Führung übernahm, löste sich ein erschreckter Schrei von seinen Lippen.
    »Alle Wetter!«
    Die vor ihm im Licht auftauchende Fratze erinnerte Aruula an die Schlange am Wasserloch.
    Ihre Schwerthand zuckte hoch, doch bevor sie ausholen konnte, wurde sie an die Wand gedrückt. Graf Zarrat, den Dornspeier in der Hand, rief: »Allmächtiger! Was ist das für ein Untier?«
    »Ein Sköldpadd (Schildkröte)!«, keuchte Theopheel erschreckt.
    Aruula starrte den buckligen Leib und die paddelförmigen Beine der gigantischen Kreatur an. Ihr Maul öffnete sich fauchend. Sie machte Anstalten, Yasef zu beißen.
    Schon puffte der Dornspeier des Grafen los. Das dornige Geschoss prallte von der Stirn des Ungetüms ab und fiel auf den Boden.
    »Verflucht!«, schrie der Graf. »Es ist gepanzert!«
    Der Hauptmann hatte mehr Glück. Der Dorn aus seiner Waffe flog ins klaffende Maul des Viehs und bohrte sich in den Gaumen. Der Hals sackte herab – und die schnabelförmige Schnauze streifte Yasefs Brust und riss sie auf.
    Yasef wankte gurgelnd zurück. Aruula fing ihn auf und verhinderte, dass er in den Dreck stürzte.
    Schon drückte sich Theopheel an ihr vorbei und zielte mit seinem Dornspeier auf das nun grünen Schleim sabbernde Monstrum. Es war getroffen, aber offenbar nicht so anfällig für das Gift, dass es auf der Stelle tot umfiel.
    Theopheel und der Graf schossen gleichzeitig, doch beide Schüsse gingen fehl. Theopheel fluchte. Yasefs Knie knickten ein. Aruula musste ihn loslassen. Als der Hauptmann am Boden lag, feuerten Theopheel und der Graf erneut auf das Sköldpadd. Aber auch diesmal verfehlten sie dessen Maul.
    Das Untier wälzte sich ihnen entgegen. Die Männer wichen zurück. Aruula baute sich breitbeinig über dem wehrlosen Hauptmann auf und wartete auf eine Gelegenheit.
    Sie kam, als die Leuchte in der Hand des Grafen das rechte Sköldpaddauge erhellte.
    Hoch die Klinge! Zack! Blut spritzte aus dem Auge hervor.
    Das rostige Kreischen der Bestie musste man im ganzen Turm hören. Theopheel legte erneut an, krümmte den Zeigefinger und platzierte noch einen Giftdorn in ihrem Gaumen.
    Das Sköldpadd zog gurgelnd den Hals ein und sackte zusammen. Ein Röcheln hallte durch den Gang. Das gepanzerte Untier verendete…
    ***
    Aruula wollte nach dem Hauptmann sehen, doch in dem engen Raum war nicht genug Platz.
    Der Graf kniete neben ihm und hielt seine Hand. Theopheel leuchtete ihm. Der Hauptmann war totenbleich und murmelte etwas, das Aruula nicht verstand. Dann schloss er für immer die Augen.
    Aruula wandte sich ab und musterte den Kadaver des Sköldpadd. Sie hatte keine Ahnung, wie das Biest in den Schacht gelangt war. Nahrung gab es hier jedenfalls genug, wenn man nicht wählerisch war: Insekten, Schnecken, Spinnen, Ratzen und den Dreck der Turmbewohner. Und hin und wieder kam ja auch ein Himmelfahrtskommando vorbei…
    Aruula fröstelte.
    »Wie kommen wir an dem Vieh vorbei?« Graf Zarrat war neben ihr aufgetaucht. »Es nimmt ja fast den ganzen Schacht ein!«
    »Wenn ich bitten dürfte? Ich habe da eine Tinktur…«
    Theopheel quetschte sich an ihnen vorbei. Er kniete sich vor das tote Ungetüm auf den schmutzigen Boden und öffnete dessen Maul mit seinem Kurzschwert. Dann entnahm er dem Lederbeutel, der an seinem Hals hing, ein Fläschchen und kippte den Inhalt ins Maul der Bestie.
    Anschließend stand er auf und trat zurück.
    Aruula und Graf Zarrat schauten sich an. Sie hatten keine Ahnung, was Theopheel trieb.
    Der lächelte verschmitzt.
    Nach ungefähr einer Minute fing es im Inneren des Sköldpadd an zu rumoren. Es knirschte und knackte, dann quoll ein endloser schleimiger Strom aus dem Maul des Kadavers und plätscherte die Rutschbahn hinunter. Das Biest zersetzte sich! Es verflüssigte sich von innen heraus.
    Schließlich knackte auch der Panzer, sackte zusammen und zersplitterte.
    Aruula, Graf Zarrat und Theopheel drückten sich an die Wand und beobachteten den Schleimstrom, der an ihnen vorbei in die Tiefe lief. Das Quieken der Ratzen im Schacht wurde lauter. Offenbar

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