179 - Gefangene der Traumzeit
behagte ihnen der Geruch der ekligen Masse nicht, die in ihre Löcher schwappte.
Nach einer halben Stunde war der Kadaver so weit aufgelöst, dass es nicht mehr schwierig war, über seine Reste hinweg zu steigen. Auf Zehenspitzen und bemüht, nicht in den Schleim zu treten, überwanden sie die Strecke.
Mittendrin hielt Aruula inne und deutete auf einen menschlichen Totenschädel, der aus den Überresten des Sköldpadd ragte. »Seht!«
Theopheel schluckte schwer. Er ahnte wohl, wessen Kopf dies war, wagte es aber nicht zu sagen, solange der Graf in der Nähe war.
Der verzog nur die Miene und schnaubte: »Weiter!«
***
»O nein!«, entfuhr es Aruula.
Sie waren keine zehn Schritte gegangen, da schälten sich im Licht der Leuchtknollen Gitterstangen aus der Finsternis, die vom Boden bis zur Decke reichten. Ein Blick reichte, und sie wusste, dass jedes weitere Vorwärtskommen unmöglich war.
Die Stäbe standen eine Handbreit auseinander, damit sie den Abfallfluss nicht behinderten, doch nicht einmal ein Hungerkünstler hätte sich zwischen ihnen hindurchschlängeln können. Außerdem waren sie von Schmutz, Schleim und glibberigen Insekteneiern bedeckt und luden nicht zum Anfassen ein.
»Ende der Reise«, murmelte Theopheel, aber es klang nicht sonderlich niedergeschlagen.
»Wie hat das erste Kommando das Gitter überwunden?«, fragte Aruula.
»Welches erste Kommando?« Graf Zarrat schaute unschuldig zur Decke.
»Ihr braucht die Wahrheit nicht zu leugnen, Durchlaucht«, fauchte Aruula. Es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte den Grafen an den Aufschlägen seines inzwischen ziemlich verdreckten Jacketts gepackt. »Falls es Euch noch nicht aufgefallen ist: Ich bin eine Kriegerin und reagiere nicht kopflos, wenn ich erfahre, dass schon vor uns jemand hier war und möglicherweise aufgefressen wurde!«
»Außer dem kopflosen Mann, den die Wache gesehen hat, ist niemand durch die Rutsche gekommen«, ließ Theopheel verlauten. »Das kann nur bedeuten, dass es den anderen gelungen ist, einen anderen Weg zu finden.«
»Oder sie wurde gefressen«, ergänzte der Graf.
»Das glaube ich nicht«, sagte Theopheel. »Dann hätten wir auch ihre Gebeine finden müssen, so wie den Schädel des Unglücklichen.«
Bevor Graf Zarrat gegenüber Theopheel handgreiflich werden konnte, ergriff Aruula die Initiative. »Es muss eine Möglichkeit geben, das Gitter zu umgehen«, sagte sie. »Suchen wir danach!«
Eine knappe Viertelstunde stocherten sie in dem Unrat herum, bis Theopheel plötzlich einen freudigen Ruf ausstieß.
Als die beiden anderen zu ihm eilten, erkannten sie genau über ihm ein Loch in der Decke, das er bereits weitgehend von Hängepflanzen und Pilzsträngen befreit hatte. Genau unter der Öffnung türmte sich ein von Würmern und Maden wimmelnder Haufen. Steigeisen, die mit ausgestreckten Armen zu erreichen waren, führten in einen engen runden Schacht hinauf.
Aruula wurde mittlerweile nur noch von einem Gedanken beherrscht: aus dieser Kloake herauszukommen, so schnell wie möglich, und ein warmes, duftendes Bad zu nehmen. Sie hätte niemals gedacht, dass die Umstände sie je so weit treiben würden, für ein Bad zu töten.
Unter dem Loch legte sie den Kopf in den Nacken und leuchtete hinein.
Der erste Trupp musste es entdeckt haben, bevor das Sköldpadd sie angreifen konnte. Nur der Letzte hatte es offenbar nicht mehr geschafft, rechtzeitig darin zu verschwinden.
Der Schacht war nichts für Menschen mit Problemen in engen Räumen. Das Licht ihrer Leuchtknolle erhellte das Gesicht des Grafen. Es schien so grün wie ein Kwötschi.
»Leidet Ihr an Platzangst, Durchlaucht?«, fragte Theopheel besorgt. »Ich hätte da ein Pülverchen…« Er fasste an seinen Lederbeutel.
Zarrat wich zurück. »Bevor ich von einem Scharlatan wie Euch ein Pülverchen annehme«, schnaubte er, »sterbe ich lieber am Schwarzen Rotz!« Er trat neben Aruula.
»Wer geht zuerst?«, fragte die Barbarin.
»Ich«, sagte Zarrat entschlossen. Er klemmte die Leuchte zwischen seine Zähne, sprang zu den Sprossen empor und hangelte sich nach oben. Als seine Füße im Schacht verschwanden, bedeutete Theopheel Aruula, sie solle als Nächste gehen.
Aruula folgte dem Grafen. Die Steigeisen waren rostig und verdreckt, und es kostete sie Überwindung, sie anzufassen.
Aruula kletterte den Schacht etwa fünf Meter hinauf, bis sich vor ihr eine Öffnung auftat. Sie blickte in einen Raum hinein, in dessen Mitte Zarrat mit seiner Leuchtknolle
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